Wirtschaftsordnung III Koordination

Wirtschaftsordnung III Koordination

Koordinationsmechanismen

Der Markt

Es reicht nicht aus, Güter und Leistungen herzustellen. Alle Güter müssen auch an diejenien gelangen, die sie benötigen. Wir sind gewohnt zu sagen, das regelt alles der Markt. „Der Markt“, das ist ein deutsches Fremdwort, wie zum Beispiel auch das Wort „Volkswirtschaft“. Viele benutzen es, ohne sich bewusst zu sein, was damit gemeint ist.
Die Micky Mouse Version, den Markt zu beschreiben, lautet: Stell Dir vor die Welt sei ein riesiger Wochenmarkt. Das ist aber Quatsch. Der abstrakte Markt ist eine abstrakte Vorstellung. Dieses abstrakte Konstrukt regele alles „wie eine unsichtbare Hand“, beschrieb (Adam Smith). Das klingt nach Religion. Wir müssen höllisch aufpassen, um nicht Dummheiten nachzubeten. Auch wenn sie weit verbreitet sind, sind sie einfach nur Unsinn.

Der Markt ist ein theoretisches Modell. Dieses Modell ist mit vielen theoretischen Idealvorstellungen bestückt. Brauchen wir so etwas?

Was Modelle können

Ohne Modelle oder ohne Idealvorstellungen könnten wir keine Theorie betreiben. Sie sind nützlich. Das Modell zu vergöttern ist dumm. Modelle bilden die Wirklichkeit nur unvollkommen ab. Wir können nicht einfach sagen: in der Wirklichkeit passiert, was wir aus dem Modell ablesen können. Wir müssen immer haargenau prüfen, ob das stimmt. Wenn etwas nicht stimmt, dann gibt es zwei Wege. Entweder wir können das Modell anpassen oder wir müssen ein anderes Modell suchen.

Das Modell Markt koordiniert in der Vorstellung der theoretischen Volkswirtschaft alle Pläne der Menschen, die produzieren und anbieten oder kaufen. Läuft alles perfekt nach den Idealvorstellungen, bleibt am Ende nichts übrig. Das nennen wir vollständige Markträumung, dann wird überall für dieselbe Menge und Qualität desselben Produkts derselbe Preis bezahlt. Was in der Theorie genial klingt, funktioniert im Alltag nicht wirklich. Die angepassten Modelle der verschiedenen Märkte sehen wir uns später noch einmal genauer an.

Der Plan

„Ja mach‘ nur einen Plan,
Sei nur ein großes Licht
Und mach dann noch ’nen zweiten Plan,
Gehn tun sie beide nicht“,

dichtete Bert Brecht in seinem Song von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens. Dennoch haben ihn die kommunistischen Praktiker der Sowjetrevolution zur Mantra erhoben. Auch die DDR beschwor ihren demokratischen Zentralismus in allen fünfzehn Bezirken des Landes.

„Zentralismus“ trifft den Kern des Realsozialismus schon genauer. Im Realsozialismus der sowjetischen Schule wurde zentral geplant und über ein zentral gesteuertes Handelssystem verteilt. Auch in der sogenannten Marktwirtschaft wird geplant, was die Denkbeulen hergeben. Nur eben dezentral in verschiedenen Unternehmen. Der abstrakte Markt ist ein Prinzip der Verteilung von Gütern auf die Nachfrage. Der Markt reguliert die einzelnen Pläne, in dem das Produzierte an die Nachfragenden verteilt wird. Alle Pläne werden von vielen Menschen, Unternehmen oder Marktteilnehmer*n gemacht. Die Kernfrage lautet also: Wie werden die Pläne ´gemacht, die Ressourcen verteilt, die Produkte bereit gestellt und verteilt:

zentral oder dezentral?

Der Markt ist ein dezentraler Verteilungsmechanismus für dezentral erstellte Güter und Dienste, bei zentraler Wirtschaftsplanung werden auch die Güter nach einem zentralen Plan verteilt.

Keine konkrete Wirtschaftsordnung kennt nur das eine oder nur das andere Prinzip. Und auch hier gibt es wieder ein dreifach hoch gepriesenes Dazwischen.

Auch im Reich des Marktes gibt es zentralistische Entscheidungswege, zum Beispiel bei Monopol-Unternehmen, staatlichen oder privaten. Oder große Unternehmen bilden Kartelle und koordinieren ihre Pläne auf nationaler Ebene oder sogar global. Die bürgerliche ökonomische Lehre der Marktformen ist genauso alt wie Lenin oder Hayek. Sie kennt sehr viele Formen zentralen oder dezentralen Entscheidens.

Im realsozialistischen Wirtschaftsraum des vorigen Jahrhunderts gab es immer wieder Reformen. Sie wurden neue ökonomische Systeme der Planung und Leitung genannt. Dann wurden mehr Entscheidungen den regionalen oder sektoralen Ebenen der Hierarchie überlassen. Betriebe sollten zum Beispiel ihre Investitionen selbst erwirtschaften. Oder privates Engagement ergänzte die staatliche Versorgung, Kleingärtner:innen lieferten Obst und Gemüse bei Ankaufstellen ab. Auf solche Phasen zugunsten dezentraler Entscheidungen, folgten immer wieder Phasen der Zentralisierung.

Ironie der Ideologie

In diesen Schwankungen in der Ideologie schwingt eine gewisse Ironie mit. Die industrielle Entwicklung verlangt von der privaten Konzernwirtschaft eine immer stärkere Zentralisierung. Zuerst fraßen konkurrierende nationale Konzerne einander auf, heute frisst Bayer Monsanto, also eine globale Spielerin die andere. Diese Zentralisierung der Entscheidungen ist eine logische Folge industrieller Produktion. Je komplexer die Technik, desto teurer die Investitionen für einen Zweck. Je teurer die Produktionsmittel, desto mehr Produkte müssen verkauft werden. Sonst lohnt es sich nicht. Eine Spirale ohne Ende.

Um das zu wuppen, müssen die Konzerne größer werden. Der Realsozialismus hat versucht, dies vorwegzunehmen. Der Sozialismus wollte den Kapitalismus überholen ohne ihn einzuholen. So SED-Chef Walter Ulbricht im Jahr 1957. Hat geklappt, der sozialistische Totalschaden der Industriegesellschaft trat als erster ein. Der kapitalistische Totalschaden kommt noch. Aber auch der realsozialistische Plan des Wirtschaftens hat uns vor den Grenzen des Wachstums nicht bewahren können.

Egal ob Plan oder Markt, das ist nicht die Frage. Die Industrie hat ihre Grenzen. Es stellen sich andere Fragen als „Plan oder Markt?“ Die Frage stellt sich nach kollektiven Entscheidungen in der Gesellschaft. Wie klappt das am besten? Zentraler oder dezentral?

Gänzlich dezentral ist nach der Lehre von den Marktformen die „vollständige Konkurrenz“, der Anarchie des Marktes in marxistischer Lesart. Sie ist für Ökonomen der Inbegriff der Effizienz, also der effektivsten Verwendung von Ressourcen. In den Augen vieler Ideolog*en entsprechen Börsen solchen idealen Märkten. Aber es gibt in der reinen Lehre auch Monopole, Oligopole und allerlei andere „schiefe“ Märkte. Wenn wir genau hinschauen, sind fast alle Märkte auch reguliert. Ausnahme: lizenzierte Flohmärkte und illegale Schwarzmärkte.
Genug der Ironie!

Die Kernfragen der Wirtschaftsordnung

Egal wie böse unser Augenzwinkern nun ist, die Kernfragen der Wirtschaftsordnung lauten:

1 Wie organisieren wir das Eigentum?
2 Wird zentral oder dezentral entschieden?
3 Wie mischen wir die extremen Pole des Denkbaren ?

Die pragmatische Matrix, wie wir die Wirtschaft einordnen wollen, sähe also so aus:

Auf der Seite des Eigentums gibt es neben dem privaten und dem öffentlichen ein Dazwischen. Nennen wir es die vernünftige Lösung, die fallweise am effektivsten wirken kann. Und bei der Koordination der Pläne muss es wohl auch zwischen den Extremen individueller Kampf und staatlicher Verteilung der Ressourcen auch eine vernünftige Lösung geben. In der zentral verwalteten Wirtschaft wurden die Waren zu einem zentral festgesetzten Festpreis angeboten. Bei vielen Dingen gab es Wartezeiten, bis das Produkt zugeteilt wurde. So entstand ein Spielraum für einen Schwarzmarkt.

Sowohl die Eigentumsform als auch die Koordination der Ressourcenverteilung haben Einfluss auf die Verteilung der Ressourcen im System. Sind im System für unterschiedliche Ziele einzelne Formen besser geeignet als die ideologischen Idealtypen? Wie sieht es aus, gibt es sowohl für das Eigentum also auch für die Koordination vernünftige Formen? Wenden wir uns im nächsten Schritt der Frage zu: Was ist privat und was bedeutet staatlich?

Auf der Seite des Eigentums gibt es neben dem privaten und dem öffentlichen ein Dazwischen. Nennen wir es die vernünftige Lösung. Und bei der Koordination der Pläne muss es wohl auch zwischen den Extremen individueller Kampf und staatlicher Verteilung der Ressourcen auch eine vernünftige Lösung geben.

Was sollten wir denn nun als vernünftig bezeichnen? Sowohl die Eigentumsform als auch die Koordination der Ressourcenverteilung haben Einfluss auf die Verteilung der Ressourcen im System. Sind im System für unterschiedliche Ziele einzelne Formen besser geeignet als die ideologischen Idealtypen? Wie sieht es aus, gibt es sowohl für das Eigentum also auch für die Koordination vernünftige Formen? Wenden wir uns im nächsten Schritt der Frage zu: Was ist privat und was bedeutet staatlich?

3 Gedanken zu „Wirtschaftsordnung III Koordination“

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