Das Rezidiv, 7. Abschnitt

Tja, diesen seltsamen Vertrag meiner Krankenkasse mit dem Uni-Klinikum in Kiel, konnte mir die Krankenkasse ja noch nicht erklären.

Seltsamer Vertrag

Ich wiederhole vom 12. Oktober:
Ich erinnere mich, dass mit im UKSH ein Vertrag angeboten wurde: „Vertrag zur Besonderen Versorgung – Shared Decision Making“ Darin heißt es:
Ihre Vorteile auf einen Blick:
– Sie kommunizieren mit Ihren Ärzt:innen auf Augenhöhe.
– Ihre Behandlung ist auf Ihre persönlichen Bedürfnisse und Wünsche abgestimmt.“
– Sie erfahren mehr zu Ihrer Erkrankung und Ihren Behandlungsalternativen und sind aktiv am Entscheidungsprozess beteiligt
.“

Mmh, dazu bedarf es eines besonderen Vertrags?

Fragen zu diesem merkwürdigen Vertrag darf ich der Krankenkasse nur telefonisch stellen. Barrierefreie Kommunikation, die mindestens einen zweiten Kommunikationsweg vorsieht, ist bei der Kasse unerwünscht.

Der Vertrag ist ein urheberrechtlich geschütztes Werk mit dem ausdrücklichen Verbot, es zu veröffentlichen. Welche Informationen wollen Krankenkassen und Krankenhäuser damit einer privatwirtschaftlichen Zensur unterwerfen?

Gegen den Willen der Kasse schreibe ich ihr einen Brief:

am UKSH wurde mir ein Zusatzvertrag mit dem oben genannten Titel angeboten. Ich habe nicht verstanden, worum es dabei geht. Mir werden darin Vorteile genannt:
– Sie kommunizieren mit Ihren Ärzt:innen auf Augenhöhe.
– Ihre Behandlung ist auf Ihre persönlichen Bedürfnisse und Wünsche abgestimmt.“
– Sie erfahren mehr zu Ihrer Erkrankung und Ihren Behandlungsalternativen und sind aktiv am Entscheidungsprozess beteiligt.
Pflichten entstehen mir daraus offensichtlich keine. Ist das richtig?
Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine Kommunikation auf Augenhöhe gewährleistet werden kann. Ich habe in einem seit Ende Juni andauernden Prozess im Zusammenhang eine Akuten Myeloischen Leukämie sehr viele Fragen gestellt. Antworten wurden mir regelrecht verweigert.
Bedarf es eines solchen Vertrages, um von der Ärzt:innenschaft solche Antworten zu bekommen?
Dürfen mir ohne einen solchen Vertrag Behandlungen aufgedrängt werden, die gegen meine persönöichen Bedürfnisse und Wünsche gerichtet sind?
Welche Informationen zu meiner Erkrankung und zu Behandlungsalternativen werden mit üblicher Weise verweigert?

Zwei Wochen später schreibt mir die Kasse, sie hätte keine Telefonnummer von mir, sie könne solche Fragen aber nur am Telefon besprechen.

Ich antworte per Brief:

Sie schreiben, dass Sie gerne persönlich mit mir sprechen möchten.
Dies kann für mich nicht telefonisch sein. Dazu bin ich nach einer intensiven Chemo viel zu unkonzentriert. Außerdem bin ich nur einer dieser doofen alten weißen Männern, die den schönen und intelligenten Kassen-Mitarbeiter:innen am Telefon gar nicht richtig zuhören können. Außerdem gilt es nicht als barrierefrei, wenn Sie auf eine einzige Kommunikationsform bauen. Das kann die Kasse doch sicherlich besser oder?


Ich habe lediglich nach dem Sinn und Zweck eines Zusatzvertrages (Shared Decision Making) , den ich mit dem UKSH abschließen sollte und dessen Sinn sich mir nicht erschließt.

Falls Sie weitere Informationen benötigen, müsste ich ohnehin auf meine Notizen zugreifen, die Sie hier vollständig nachlesen können: https://freistern.de/das-rezidiv/

1. November 22: Werbelügen leicht gemacht

Da sich der akute Schub meiner Colitis ulcerosa trotz Erhöhung der Mesalazin-Dosis nicht verpieselt, empfahl und verschrieb mir mein Hausarzt Curcumin in einer Darreichungsform, die diesen Wirkstoff dem menschlichen Organismus leicht verfügbar macht. O.k., ich willige ein.

Mein Kasse wirbt: „Wir zahlen mehr: Im Rahmen unserer Satzungs-Leistung übernehmen wir die Kosten für nicht verschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Medikamente der Homöopathie, Phytotherapie und Anthroposophie bis zu einem Höchstbetrag von 100 EUR. Dies gilt pro Kalenderjahr und für alle Versicherten ab 12 Jahren.“ Deshalb reiche ich das privat bezahlte Rezept bei der Kasse ein.

Als sich das Curcumin in meinem Darm bereits positiv bemerkbar macht, lehnt die Kasse die Erstattung der Kosten ab. Nun ja, offenbar ist ja die Wirkung des Curcumin lediglich von dieser komischen Wissenschaft nachgewiesen und nicht von der antisemitischen Anthroposophensekte. Das macht mich wütend. Meine Anwort:

gegen Ihren Bescheid lege ich Widerspruch ein.
Begründung:
Ihre Begründung enthält sachlich falsche Tatsachenbehauptungen:
Erstens: Das Phytopharmakum ist kein Lebensmittel. Die Pharmafirma deklariert es Nahrungsergänzungsmittel.
Zweitens Sie erwecken den Eindruck, dass die Verordnung meines Arztes nicht auf einer gründlichen Abwägung der Alternativen beruht, indem Sie mir raten, mich von meinem Arzt beraten zu lassen.

Mein Arzt hat mir in einem ausführlichen Gespräch folgendes erklärt. Der Wirkstoff Curcumin ist pflanzlicher Herkunft. In seiner natürlich vorkommenden Form ist er für den Menschen nicht bioverfügbar, er wird also im Verdauungsprozess nicht aufgenommen.
Traditionell wird versucht, durch scharfe Zutaten den Wirkstoff bioverfügbar zu machen. Sie reizen den Darm so stark, so dass er das Curcumin aufnimmt. Davon ist aber bei chronischen Darmentzündungen („Reizdarm“) abzuraten, weil es die Krankheitssymptome verstärken kann.

Eine Pharmafirma hat ein Verfahren entwickelt, das Curcumin für den menschlichen Organismus verfügbar zu machen. Somit ist es gleichwertig mit dem von meinem Arzt gleichzeitig verschriebenen Vitamin B12. Dieses kommt ebenso in Lebensmitteln vor und wird normalerweise im Enddarm aufgenommen. Dies ist aber bei akuten Schüben der Colitis nicht mehr gewährleistet. Da der Bedarf an Vitamin B12 durch vegane Fehlernährung in der Bevölkerung epidemiologisch drastisch zunimmt, lohnt es für die Pharmaindindustrie Vitamin B12 die Zulassung als Arzneimittel anzumelden.
Mit der von Ihnen laienhaft und ohne fachlich fundiertes Wissen herbeigeschworene „Alternative“ werde ich seit 20 Jahren behandelt. Es handelt sich um den Wirkstoff Mesalazin, der unter dem Markennamen Claversal vertrieben wird. Nach einer Chemotherapie gegen Leukämie trauten bei mir sehr heftige Schübe der Colitis ulcerosa auf, die auch auf eine erhöhte Dosis Mesalazin nicht ansprachen. Mein Arzt hatte vor einiger Zeit in seiner Fachpresse gelesen, dass Patienten mit CED-Erkrankungen positiv auf das Curcumin ansprechen. Deshalb hat er es mir verschrieben.
Eine einigermaßen aktuelle wissenschaftliche Studie dazu finden Sie hier: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6928475/
Solche positiven Wirkungen kann kein einziges anthroposophisches Kügelchen erreichen, für das Sie laut Ihrem Merkblatt jede Menge Geld ausgeben. Sie unterstützen damit eine reiche Sekte mit antijüdischer Tradition, die ihre Produkte nicht wissenschaftlich, sondern nur durch ihre öffentlich geförderte PR-Lobby glaubhaft machen kann.
Falls Sie weiterhin auf Ihrem Standpunkt verharren, senden Sie mir bitte das Original meiner ärztlichen Verordnung, die auch die Quittung der Apotheke enthält, zurück.

Na, jetzt sind wir einmal gespannt, ob sie mir wenigstens die Originalbelege zurücksenden können, die sie von mir zur Einreichung verlangen.

26. November 2022

Die Kasse antwortet mir (fast) ohne Textbausteine. Der Textbaustein wegen der fehlenden Telefonnummer darf natürlich nicht fehlen. Es wäre ja auch zu schön, wenn Mann diesen lästigen Kunden mtten beim Einkaufen auf dem Wochenmarkt mit professionellem Kassensprech anmeiern könnte. Meine Frage nach dem seltsamen Vertrag wird nicht beantwortet. Aber dafür gibt mir die Kasse den Rat, mich gegen ärztliche Behandlungsfehler zu erwehren.

Jetzt darf ich eines nicht verschweigen: Das Merkblatt der Kasse zu ärztlichen Behandlungsfehlern ist sachlich sehr informativ.

1. Dezember 2022

Auflösungen ergeben sich immer zufällig. Ich bin erneut bei der Anmeldung eines Patientin m UKSH dabei. Erneut das Angebot des Zusatzvertrags „Shared Decision Making“. Die Mitarbeiterin weiß Bescheid. Die Lösung ist: Die Krankenkasse bezahlt Fortbildungen der Ärztinnen und Ärzte in Patienten-Kommunikation. Ob ich jetzt einen Arzt bekomme, der so kommuniziert wie meine Krankenkasse? Das weiß niemand. Und auch alle anderen Patient:innen können einen fortgebildeten Arzt oder eine fortgebildete Ärztin bekommen. Oder auch nicht. Und warum soll ich dann diesen Vertrag unterschreiben? Für diesen Unsinn geben sie Geld aus, belasten die Gesundheitskosten und verschärfen die Personalnot in den Krankenhäusern. Abgesehen davon, dass ich nicht wünsche, dass die Ärztinnen und Ärzte so schlecht mit ihren Patientinnen kommunizieren wie meine Krankenkasse.

19. Dezember 2022

Ich frage bei meiner Kasse zurück, ich bin mit der Antwort nicht zufrieden:

1. Kürzlich hatte ich erneut die Gelegenheit bei der Anmeldung im UKSH nachzufragen. Eine Mitarbeiterin erklärte dort, dass patient:in nicht damit rechnen kann, dass er oder sie von einem fortgebildeten Arzt beraten würde. Die Ärzt:innen würden alle gleich beraten, unabhängig davon, ob ein TK-Mitglied den Zusatzvertrag unterschreibt oder nicht. Wenn das stimmt, dann ist dies keine Zusatzleistung der TK für die bei ihr versicherten Mitglieder. Trifft es zu, was bei der Anmeldung im UKSH kolportiert wurde?

2. Bei Gesprächen mit Ärzt:innen habe ich immer wieder erfahren müssen, dass viele Entscheidungen von betriebswirtschaftlichen Erwägungen sehr stark eingeschränkt werden. Außerdem spielten immer wieder wissenschaftliche Interessen bei der Beratung eine Rolle, schließlich sei der medizinische Fortschritt auf die Mithilfe der Patient:innen angewiesen. Inwiefern kann die von Ihnen beschriebene ’neue Versorgungsform‘ die ideologischen Zwänge und persönliche Interessen in den Hintergrund treten lassen?

3. Welche wissenschaftlichen Quellen können Sie dafür angeben, dass die Schulungen des Personals einen Effekt auf die tatsächliche Entscheidungskompetenz der Patient:innen haben?

6. Februar 2023

Manche Antworten brauchen ihre Zeit. Sie sind schwierig. Meine Befürchtungen treffen anscheinend zu. Frau Dr. Friedrike Rogge bestätigt, dass alle Patient:innen gleich behandelt werden, ob sie nun Mitglied der TK sind oder nicht. Gleichzeitig müssen die Versicherten der TK den Zusatzvertrag mit der Klinik unterschreiben, damit die TK die Klinik gesondert vergüten kann.

Im Klartext: Die Versicherten der TK müssen einen Vertrag mit dem UKSH unterschreiben, damit die Kasse Geld an das UKSH bezahlt. Alle anderen profitieren auch davon, müssen aber weder unterschreiben, noch dafür bezahlen. Diese verlogene Rechtskonstruktion soll Vertrauen für eine absolut ehrliches Gespräch zwischen Patient:in und Ärzt:in herstellen.

Das werde ich sofort auf die Probe stellen. Denn meine Fragen wurden auch am UKSH nicht ehrlich beantwortet.