Wirtschaftsordnung II – Genos

Genossenschaften werden ausgeblendet

Für das Eigentum an Ressourcen und Produktionsmitteln gibt es nicht nur Privat- oder Staatseigentum. Es gibt auch ein „Dazwischen“. Wenn wir die Wirtschaftsordnung betrachten, wird heute beim Privateigentum eine Form bevorzugt: die Aktien, also anonyme Anteile, die an Börsen handelbar ist. In den letzten Jahrzehnten konnte globale Börsencrashs aufgefangen werden. Aber was passiert, wenn die Spekulation mal wieder alles aus dem Lot fallen lässt?

Teilhabe ist oberster Grundsatz

Besonders in Krisenzeiten hat sich das genossenschaftliche Eigentum bewährt. Der deutsche Blick ist dabei sehr auf die juristische Verfassung der Geno beschränkt. Ohne Scheuklappen geht’s in Deutschland halt nicht. Denken wir global. Danach ist eine Genossenschaft ein Unternehmen, das nach den folgenden Prinzipien handelt:
1 Die Mitgliedschaft ist freiwillig und steht jeder Person zu.
2 Entscheidungen werden demokratisch gefällt.
3 Mitglieder haben wirtschaftlich an der Genossenschaft teil.
4 Mitglieder und Beschäftigte werden fortgebildet, damit sie an den Entscheidungen teilhaben können.
5 Genossenschaften arbeiten mit anderen Genos zusammen.
6 Genossenschaften kümmern sich um die Gesellschaft, in der sie bestehen.

Das bedeutet im Klartext: es kommt bei Genos nicht auf die Rechtsform an, sondern auf die Verfassung des Unternehmens. Hierbei ist Teilhabe oberster Grundsatz. Der internationale Genossenschaftsverband ICA umfasst auch kommunale Eigenbetriebe wie zum Beispiel Sparkassen und Versicherungen auf Gegenseitigkeit, die so genannten mutuals.

Allerdings galten die Genossenschaften auch im leninistischen Realsozialismus als minderwertig, nur eine „Vorstufe“ zum sozialistischen Eigentum. Bauer*n und Handwerker*s wurden in Genossenschaften zusammengefasst, selten war die Mitgliedschaft freiwillig. Das ist dem Genossenschaftbund aber wichtig: Alle dürfen, niemand wird gezwungen.

Genos als Störfaktor im System

In Deutschland wird das Genossenschaftswesen systematisch unterschätzt. Es wird von der Spekulationswirtschaft systematsich bekämpft. So wollten das Spekulationsbankensystem die Kreditgenossenschaften EU-weit vom Kreditgeschäft aussperren, weil deren Kapital nicht an Börsen handelbar sei.

Ein Schmankerl aus der Geschichte: MCC – Mondragón Corporación Cooperativa

[Ich verlinke hier die englsichsprachige Wikipedia, … ] Ein solches Katz und Maus Spiel hat die Mondragón Corporación Cooperativa (MCC) hinter sich. In den 50ern gründeten Einwohner:innen der baskischen Kleinstadt Kooperativen, um sich gegen Arbeitslosigkeit und Armut zu wehren. Der Priester José María Arizmendiarrieta sorgte dafür, dass ein paar kluge Leute die Menschen zur Selbsthilfe anleiteten. Sie finanzierten eine kleine Kreditgenossenschaft. Es entwickelte sich einer der größten Industriekonzerne Spaniens mit eigenem Finanz-, Sozial- und Bildungswesen. Einige Neugründungen waren eine Reaktion auf Gängeleien und Ausgrenzungen durch das faschistische Franco-Regime. Als die Mitglieder aus dem staatlichen Versicherungssystem ausgegrenzt wurden, war eine genossenschaftliche Versicherung nötig.
Als Produktivgenossenschaft wird der Konzern oft vom Ausland als Consulter angefragt. So wurde die MCC auch auf anderen Kontinenten wirtschaftlich tätig. Das ist global gesehen ein eher seltener Fall.

Die Stärke der Genossenschaften

Regionale Kompetenz

Traditionell wird als besondere Stärke der Genos ihr enger Bezug zur Region angesehen, in der sie tätig ist. Besonders bei Wohnungsgenossenschaften wird das deutlich. Sie sind dort tätig, wo sie sich gut auskennen. Sie kennen den lokalen Markt, sie kennen die Marktteilnehmer:innen persönlich. Denn es liegt nahe: Wirtschaftliche Teilhabe bedeutet beim Wohnen örtliche Teilhabe. Diese Eigenschaft gibt es aber auch beim Handel.

Konsument* oder Händler* haben sich in Europa vor 120 Jahren ebenso zusammengeschlossen, um gemeinschaftlich besser einzukaufen. ‚Besser‘ bezieht sich dabei nicht allein auf den Preis, sondern auch auf die Qualität der Waren. Nach vier Generationen sind heute viele genossenschaftliche Unternehmen die Marktführerinnen: Edeka und Rewe in Deutschland, coop und Migros in der Schweiz, Rewe und Spar in Österreich, coop in Dänemark, coop in Schweden, coop im Vereinigten Königreich (Platz 4). Eroski in Spanien (Platz 4) übrigens die Handelstochter des MCC.

Dort wo Genos stark sind haben ausländische Handelskonzerne es schwer, in den Markt einzutreten. Aus Deutschland haben sich zum Beispiel Walmart (USA) oder intermarché (Frankreich) kurz nach ihren Gastspielen in Deutschland wieder zurückgezogen. Gegen Genos können auch inländische Konkurrentinnen nur dann erfolgreich sein, wenn sie mit Qualität werben. Diesen Weg gingen in Deutschland als erste die Aldibrüder. Ebenso wie die Schwarzgruppe ist auch Aldi auf Europa-Ebene im Ranking erfolgreicher als in Deutschland.

Soziale Kompetenz

Die soziale Kompetenz wird heutzutage besonders bei den landwirtschaftlichen Genossenschaften von Kleinbäuer* bedeutsam. Kleinbäuer:innen wurden in vielen Regionen der Welt von der Saat-Industrie mit haltlosen Versprechen betrogen. Als die gentechnische BT-Baumwolle versagte, sprangen die indischen Genossenschaften mit Hilfsprogrammen ein. Heute gibt es bei uns Biobaumwolle zu Discountpreisen. Dahinter steckt eine genossenschaftliche Strategie den Erzeugerländern.
In Malaysia übernehmen städtische Unternehmen Patentschaften zu Dorfgenossenschaften und leisten Hilfe zur Selbsthilfe.
In Italien gibt es ein eigenes Gesetz zur Förderung der Sozialgenossenschaften. Vielfältige Anregungen gibt’s beim Internationalen Genossenschaftsbund ICA: ica.coop.

Kontinuität

Die Manager in genossenschaftlichen Konzernzentralen haben es nicht leicht. Ihre Eigentümer* wissen selbst, was sie wollen. Das Kapital der Genossenschaft ist nicht anonym, wie bei Aktiengesellschaften. Oft sind es Händler*, die starken Genossenschaften angehören. Diese Genossenschaften betreiben dann gemeinsam eine Konzernzentrale. Sie haben ein starkes Selbstbewusstsein und sind in ihrer Heimatregion fest verankert. Bei Wohnungsgenossenschaften sind die Mieter* die Eingentümerinnen, also die eigene Kundschaft. In beiden Fällen stehen beide Seiten in einer wechselseitigen Verantwortung. Was Kritikerinnen daran konservativ oder gestrig erscheint, ist für die Mitglieder das eigene Interesse. Es lässt sie sozial betrachtet nachhaltig handeln.

Ideologischer Verzicht

Diese Eigenschaften der Genossenschaften sind Ziele, die in der heutigen Debatte über das Wirtschaften häufig gefordert werden: Förderung regionaler Strukturen, soziale Kompetenz, Nachhaltigkeit und Kontinuität. Statt in der Wirtschaftsordnung entsprechende Signale zu setzen, repariert der Staat aber immer wieder die Schäden des spekulativen Börsensystems.

Genossenschaften zu fördern, würde auch anderen gesellschaftlichen Zielen dienen. Der ideologisch bedingte Verzicht darauf schadet der Gesellschaft.

Wie sieht es beim Koordinationsmechanismus unseres Wirtsachaftssystems aus, beim Markt? Das ist Thema der dritten Folge dieser Reihe zur Wirtschaftsordnung.

nächste Folge: Wer koordiniert die Pläne

2 Gedanken zu „Wirtschaftsordnung II – Genos“

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