Tagebuch, 4. Abschnitt Zurück beim Hausarzt
Mittwoch, 31. August 2022
Ich bin bei meinem Hausarzt. Er ist großartig, in Sekunden stellt sich mein Vertrauen in die wissenschaftliche Medizin wieder ein. Er nimmt sich sehr viel Zeit für das Gespräch. Nach meinem Bericht empfiehlt auch er mir, eine zweite Meinung einzuholen. Ich solle aber nicht, wie ich wünschte, eine mir schon bekannte Ärztin aufsuchen, sondern jemand, der völlig unvorbelastet ist, am besten in einer Uniklinik. Dort sei ich der aktuellen fachlichen Kompetenz am nähesten, dort seien die Fallzahlen ausreichend hoch, so dass auch seltene Fälle wie meiner besser eingeordnet werden könnten. Er überzeugt mich sofort.
Ich berichte ihm, dass mir aufgrund eines Kaliummangels Brausetabletten gegeben werden. Könne es sein, dass die Brause wie Natronlauge abführend wirke? Bei meiner Colitis ulcerosa sei das nicht sonderlich hilfreich. Er vermutete zurecht, dass wir statt Ringerlösung wohl einfach nur 0,9%ige Natriumchloridlösungen bekommen hätten. Da sei ein Kaliumverlust vorprogrammiert. Aha.
Als Hausarzt mit Schwerpunkt Ernährung weiß er, dass ich meine Ernährung an die Empfehlungen der DGE anlehne, sehr bewusst seit fünf Jahren mein Körpergewicht reduziere, von 105 kg auf inzwischen etwa 85 kg. Langsam, aber nachhaltig. Er empfahl mir die Brausetabletten wegzulassen und meine Ernährung konsequent durchzuhalten unter leichter Verstärkung kaliumhaltiger Lebensmittel, zum Beispiel auch geeigneter Mineralwasser.
Die Ernährung bei Asklepios Altona ist extrem einseitig und nicht gesundheitsförderlich. Eine exakte Analyse würde diese meine subjektive Wertung sicherlich bestätigen.
Ich halte mich strikt an die Empfehlungen meines Hausarztes. Ein alter weißer Mann darf sich nicht als beratungsresistent erweisen.
Donnerstag, 1. September 2022
Trotz des entlastenden Besuchs beim Hausarzt bin ich noch nicht ganz frei. Ich suche den Kontakt zur Uniklinik Kiel. Telefonieren scheint zwecklos zu sein. Deshalb nutze ich das Webformular. Ich schildere meinen Fall und bitte um einen Termin. „Ich bin kein Spinner. Nur hat mein Vertrauen in die wissenschaftliche Medizin gelitten.“ Dem wolle ich entgegen wirken.
Freitag, 2. September 2022
Ein Termin für den 15. September in Kiel. Punkt. Meine Unsicherheit soll sich in den kommenden Tagen wieder legen. So hoffe ich. Blut abgeben in der Hausarztpraxis.
Ich sehe mir den vermeintichen Taxisschein der Klinik an. Mit dem Formblatt können Krankentransporte beim ASB angefordert werden. Per Fax. Tolle Wurst, hätte ich mal gleich lesen sollen. Hätte ich mich von einem dieser fröhlichen Youngster aufmuntern lassen können. Das Leben ist voller verpasster Gelegenheiten.
Ich sage eine weitere Behandlung bei Asklepios Altona ab:
„Guten Tag,
ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich nicht zur weiteren Behandlung am 7.9.22 in der Station 4A erscheinen werde.
Ich lasse mich zunächst anderenorts beraten, danach werde ich sehen, wie ich fortfahren kann.
Die Beratung ist bei Ihnen anscheinend nur im AK St. Georg möglich. Ich war kurz nach meinem Zelltief dort hinkutschiert worden, und sollte dort in einem überfüllten Wartezimmer Platz nehmen.
Ich halte dieses Vorgehen für zynisch, zumal ein Patient in der geschwächten Verfassung solchen ad-hoc-Beratungen nur mit verminderter Aufmerksamkeit folgen kann. Es liegen bei Ihnen unverzeihliche Mängel in der Kommunikation, die sogar teilweise außerordentlich widersprüchlich ist. Ein Patient wird damit allein gelassen, Rückfragen dazu wurden mir nicht beantwortet.
Bei der Pflege möchte ich mich ausdrücklich bedanken, die unter diesen Schwierigkeiten es zu keinem Zeitpunkt an Fürsorge und Aufmerksamkeit mangeln ließ. Ganz lieben Dank dafür.
Für wertvolle Hinweise danke ich insbesondere Herrn Dr. xy und Frau Dr. xx. Sie haben beide am Entlassungstag bei mir einen sehr empathischen und uns Patienten zugewandten Eindruck hinterlassen. Auch Ihnen ganz herzlichen Dank dafür.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Sternberg“
Montag 5. September 2022
Mein Blut entwickelt sich o.k. Die vier Arzneimittel, die ich vorsorglich gegen Infektionsgefahren schlucken soll, muss ich weiter nehmen. Ja, das tue ich. Mein neues Mantra: Alte weiße Männer dürfen nicht beratungsrestistent sein.
Mittwoch 7. September 2022
Ich bekomme gegen halb elf einen Anruf der Station 4A im AK Altona. Ob ich denn heute noch ankäme oder bereits auf dem Wege sei. Ich sage, dass ich schon am 2. September per Mail eine weitere Behandlung abgesagt hätte. Die Stimme am Telefon fragt nach, an welche Mailadresse ich dies gesendet hätte. Ich hätte der Mailadresse auf dem Entlassungsbrief vertraut. Die Stimme bedankt sich und drückt ihre Hoffnung aus, dass dann ja wenigstens die Ärzte Bescheid wüssten.
9. September 2022
Ich fühle mich gesund, wie schon lange nicht mehr. Nur nicht übermütig werden. Wieder Blut abgeben. Nur nicht übermütig werden. Bin ich aber. Kartoffelernte und Süßkartoffelernte konnte ich mir nicht verkneifen. Ich habe in der Erde gewühlt, in der so viele Keime leben.