erscheint in der Februar-Ausgabe von gegenwind
Am 15. Dezember vorigen Jahres musste die Elbferry ihren Betrieb einstellen. Vorher hatte sie über acht Monate Cuxhaven und Brunsbüttel mehrmals täglich miteinander verbunden. Den Betrieb hatte die Elbferry GmbH am 1. März mit der gecharterten Greenferry I aufgenommen. Die dritte Coronawelle deutete sich schon an, Ostern und Pfingsten fehlten dann auch die Tagestouristen. Dennoch lief der Betrieb im Sommer wirtschaftlich, die Gesellschaft schrieb sogar schwarze Zahlen. Der Neustart der Fährlinie war also gut vorbereitet worden, es bestand Aussicht auf einen dauerhaften Erfolg.
Im Herbst kam die vierte Corona-Welle. Dafür hatte der Geschäftsführer der Elbferry Heinrich Ahlers vorgesorgt und bereits am 11. Juni 2021 Corona-Hilfen aus dem Härtefonds beantragt. Zur Erinnerung: über Corona-Hilfen sollte schnell und unbürokratisch entschieden werden. Das Kieler Wirtschaftsministerium von Bernd Buchholz (FDP) ließ fünf Monate verstreichen und lehnte diese Corona-Hilfen am 18. November ab. „Insbesondere wenn man die Ablehnungsgründe berücksichtigt, hätte man die Absage auch schon viel eher mitteilen können, was dem Unternehmen mehr Möglichkeiten zur Reaktion gegeben hätte“, moniert Ahlers auf Anfrage. Am 22. November musste er Insolvenz anmelden.
Insolvenzverwalter wurde der Bremer Fachanwalt Berend Böhme. Er wollte das Unternehmen retten, legte Widerspruch ein und bildete einen Runden Tisch, dem auch Abgeordnete und die Kommunalpolitik angehörten. Mit dabei der Landtagsabgeordnete Volker Nielsen (CDU), der als Bürgermeister von Sankt Michaelisdonn für die gesamte Region Menschen zusammenbringt und mit Infos versorgt. Er fasst die Gründe für die Insolvenz zusammen: „Die Pandemie mit ihren massiven Auswirkungen auf den LKW-Güterverkehr, der stark abgefallen ist, und eine Vervierfachung des Gaspreises machten einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich. Die Greenferry I fuhr mit Flüssiggas, das per LKW von Rotterdam in Cuxhaven oder Brunsbüttel angeliefert wurde.“
Wichtig für die Regionen
Alle regionalen Akteure hofften auf ein Einlenken der Landes. Für Süderdithmarschen und Cuxhaven ist eine solche Fähre lebenswichtig. Brunsbüttels Bürgermeister Martin Schmedtje berichtet dem NDR, die Stadt habe eine deutliche Belebung im Handel und in der Gastronomie gespürt. Das wirtschaftlich notwendige Hinterland sei der Stadt von der Fährverbindung „auf dem Silbertablett“ präsentiert worden.
In der Vergangenheit hatte die regionale Politik immer wieder versucht, einen Betrieb der Linie anzuschieben. Geografisch liegen die Regionen in Sackgassen, die Hauptwege führen über Hamburg. Die Fähre Glückstadt-Wischhafen, die die global tätige FRS aus Flensburg betreibt, ist keine Alternative. Sie verbindet keine regionalen Zentren, sondern südelbische Apfelplantagen mit nordelbischen Feuchtwiesen. Sie ist nur dürftig an das Straßennetz angebunden und überhaupt nicht an den Bus- oder Bahnverkehr.
Für die regionalen Zentren Brunsbüttel und Cuxhaven ist eine direkte Fähre öffentliche Daseinsvorsorge, also Aufgabe der staatlichen Instanzen. Für den regionalen Schienenverkehr müssen die Bundesländer die Verantwortung übernehmen. Aber beim Fährverkehr zögen sich die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen darauf zurück, dass sie trotz der regionalen Bedeutung nicht zuständig seien, erläutert Landtagsabgeordneter Nielsen. Die EU setze einem Engagement enge Grenzen.
Vorrang für neoliberale Ideologie
Trotz der großen Bedeutung der Fähre kam am 15. Dezember das Aus für die knapp sechzig Beschäftigten. Das Kieler Wirtschaftsministerium stützte sich darauf, dass ein Unternehmen in Insolvenz keine Hilfen mehr bekommen dürfe. Dieser Argumentation widerspricht Insolvenzverwalter Böhme: „Ich habe eine juristische Lösung über ein Insolvenzplanverfahren und die zeitnahe Aufhebung des Insolvenzverfahrens angeboten, so dass im Anschluss die beantragten Hilfen an einen Zwischenfinanzierer hätten ausgezahlt werden können.“ Eine schriftliche Begründung der Ablehnung des Widerspruchs lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor, die Betroffenen waren auf telefonische Nachrichten angewiesen. Für Missverständnisse sind also noch alle Türen offen.
Ministeriumssprecher Harald Haase verwies zur Entscheidung des Bundeslandes auf die politische Forderung des Ministers Buchholz, diese öffentliche Aufgabe des Fährverkehrs müsse sich eigenwirtschaftlich tragen. gegenwind fragte ihn warum. „Wir leben ja in Deutschland ordnungspolitisch in einer sozialen Marktwirtschaft und da liegt es in der Natur der Sache, dass Unternehmen – dazu gehören auch Reedereien – sich wirtschaftlich allein tragen müssen. Sonst hätten wir ja eine sozialistische Planwirtschaft, wo der Staat für alles zuständig ist und alles finanziert“, lautete Haases Antwort.
Aufklärung tut not
Eigenwirtschaft, so nennt man die Wirtschaft von Bund, Ländern und Gemeinden. Dazu gehören Müllentsorgung, Stadtwerke, Bus und Bahn. Solche Betriebe haben eigene Einnahmen. Wenn die Kosten aber höher sind als tragfähige Preise erlauben, ist der Staat als Betreiber der Eigenwirtschaft in der Pflicht. Der Stadtstaat Hamburg, die Stadt Lübeck und die Landeshauptstadt Kiel stellen sich dieser Verantwortung. Alle dieser Fähren sind Teile öffentlicher Unternehmen, also subventionierter Unternehmen. Die Fähre Langeoog ist ein Eigenbetrieb der Gemeinde. Die Weserfähre Bremerhaven-Nordenham ist eine Eigengesellschaft der beteiligten Städte. Schleswig-Holstein und Niedersachsen lassen ihre strukturschwachen Küstenregionen im Stich und geben keine Hilfen. Ja sie verweigern sogar aktiv Bundeshilfen in einer nationalen Notlage.
Für die Kommunalpolitik der ärmeren Regionen wird es immer schwieriger. Die lokalen Akteure müssen selbst die Informationen zusammen sammeln und initiativ werden. Obwohl aus Kiel immer wieder zu hören ist, die Fähre sei wünschenswert, kann die Politik nicht einmal alternative Lösungen aufzeigen. Auch bei den Grünen und SPD wird beredt geschwiegen, öffentlich gestellte Anfragen blieben unbeantwortet.
Da die Fähre auch die Bundesstraße 5 mit der Autobahn A 27 verbindet, könnte sie theoretisch eine Fernverbindung zwischen der Westküste und Bremerhaven und Bremen sein. Die Verdienste des früheren CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer bestanden allerdings darin, Bayern mit Geldern des Bundes zu versorgen. Da hatte Brunsbüttel keine Chancen, Hilfe vom Bundesministerium zu bekommen. Brunsbüttels Bürgermeister Martin Schmedtje äußerte im NDR-Interview die Hoffnung auf die neue Ampelkoalition, die in dieser Frage ebenso gelb blinkt wie im Kieler Kenia-Haus.
Viele Vorbilder in Europa
Gerne versuchen Gegner:innen der Fährverbindung am Elbtrichter den Eindruck zu erwecken, dass Fährbetriebe grundsätzlich privatwirtschaftlich betrieben werden müssten. Dies ist sachlich falsch. In den Metropolregionen Europas ist es selbstverständlich, dass Fähren öffentlich betrieben werden, so in Hamburg, Berlin, Kopenhagen oder Lissabon. In Lissabon sorgt sogar eine staatliche Gesellschaft dafür, dass das Hinterland südlich der breiten Tejomündung angebunden wird. So gesehen könnte sich also auch die Metropolregion Hamburg dieses Elblinks annehmen.
Es ist bitter, wenn sich ein Minister wie Buchholz hinter Fake-News versteckt und der Kommunalpolitik Sand in die Augen streut. An der Küste ist es üblich und dringend nötig, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen. Das ist beim Deichbau nicht anders als im Fährverkehr, den die friesischen Insulaner selbst regeln. An Land gilt das Spatenrecht: Wer nich will dieken, de möt wieken. Wir stecken dem Wirtschaftsminister den Spaten aufs Grundstück.
Kostenfrei über den Rhein
Gerne wird dieser Faktenlage mit der Behauptung ausgewichen, es gäbe keine öffentlichen Fähren im Länder überschreitenden Verkehr. Doch auch das ist eine sachlich falsche Schutzbehauptung. So gibt es Vorbilder für öffentliches Engagement in der Daseinsvorsorge mit solchen Fährverbindungen, zum Beispiel am Rhein. Die europäische Gebietskörperschaft Elsass betreibt drei Rheinfähren. Sie sind für die Nutzer:innen sogar kostenfrei. Diese Fähren sind im grenzüberschreitenden Verkehr tätig und dienen der Region und dem Tourismus. Bei Mannheim haben die Stadt Mannheim und der Kreis Rhein-Pfalz die Gemeinde Altrip mit einer eigenen Fährgesellschaft angebunden. Hier erreichen die Großstädter ein Naherholungsgebiet. Die Stadtwerke Konstanz betreiben eine Autofähre mit einer Fahrtzeit von 45 Minuten vom baden-württembergischen Friedrichshafen nach Romanshorn in der Schweiz sowie eine weitere innerdeutsche Fähre.