FRAGEN DIE MICH BEWEGEN 2

Watt hett dar Richtig-Schriewen mit de Worhet to don?
Ich heww mi immer frågt, wörum de Leererslüd wullt, dat wi „richtich“ schriewen süllt.

Alleen das Wurt „Rechtschreibung“ kanns doch man blot up hokdütsch seggen. Giwwt in de richtige Sprok går ni‘.
Wenn wi keen‘ son’n „richtich schriewen“ harn don täten,
denn schull wi liekers jümmers nådenken: Wat meent Olsching denn nu?
Meent se so? Oder meent se wat anners?
Will seggen, ick mok mi Gedankens, wat se wull will und meent.
Ick denk an eer und versök mi rintoföhlen.
Un‘ dann geit dat man so god, as dat deit.
Und wenn dat mål ni so god geit, dann möt ik mi een lütt büschen mehr Gedankens moken.

Un nu mok ik mål en weetenschåpli‘ Thesis:
Har'n wi gor keen, de uns seggt, wo dat geit mit den richtich-schriewen, denn wör wi uns all veel beder verstahn.

Mien Schäning seggt ok, dat is richtch, wat ik nu grad schriew.
Wat to bewiesen wäsen wor. Un dat is nu wårheet. So geit Wetenschap.

Ik versök ja jümmers mehr en eenfack Sprok to schriewen.
So nå de Idee „schoin eenfach is eenfach schoin“.
In Dschurnalismus giwwt dat ne Formel dorför:
Nümmers mehr as een Komma.
Dor kann denn ok keen een gegenanklamüstern.

Gegen een eenfack Sprok kümmt de Redetorik-Schwienslüüd nich gegenan.
Wenn de Schwienslüd gegenansabbelt, kannst du dien eenfach Sentenz jümmers nå mål seggen.
Jümmers nå mål.
Dann markt ok de letzte, datt de Schwieslüd nix to seggen hebt as Schwienskram.
De hebbt liekers man blot Penunzen un nix richtiges to eeten.

Nu seggt mi de Leererslüd, datt wi awer jümmers richtig schriewen sallt.
Denn man blot so versteit all de Dütschlüd, wat se verstån schullt.
Dat vertell mål de Jesuitens, de Juristens un all de anner Expertens.
De glöwt dat se mit de Sprok und Logik allens bewiesen könnt.
Un an End is dat allens går ni wohr, blot richtig schräwen.

Fragen, die mich bewegen 1

ist überhaupt keine Kunst auch keine lösung
wo ist die überweisung für die darmspiegelung
hat sie denn je die hanse gesehen
wie überlebt ein dadaist im eigenheim
stirbt in der post weimarer bierbauchkultur, das bierbrauchtum
eidideidileimischleim, ist dada ga‘ kein eigen heim
kann ein tesla brabrabrummmigrummibumbum
ist das einzig wahre quadrat eine preto ikonimo
überlebt ein heider hahn den heider hohn
ertrinken wir im heider hohnbierturm
wenn überall die hähne krähn
wer kann im darmspiegel rückwärts lesen
darf ein veganer japaner im preto kimono auf dem schimmel reiten
wohin reiten die braun lackierten stalinisten
fragezeichen

Der Markt der Wahrheiten

Das Ende des Glaubens

Judith Arlt wirft in ihrem Essay über den Luxus der Sprache die Frage auf, ob die Erzählungen (Narrative) in Presse, Medien und Politik Mord und Gewalt rechtfertigen. Wir haben Mitte des vorigen Jahrhunderts damit begonnen, unterschiedliche Wahrheiten nebeneinander gelten zu lassen. Seitdem gibt es nicht nur das Wahrheitsverständnis der Naturwissenschaft. Daneben sollten parallel gültige Wahrheiten gelten dürfen. Der öffentliche Diskurs sollte dann richten, welche Wahrheiten in der Gesellschaft sich durchsetzen. So wurde die Wahrheit zur Ware im globalen Diskurs.

Die parallelen Wahrheiten können auf dem religiösen Glauben, auf einer Ideologie oder auf Fantasie, also literarischen Erzählungen beruhen, wie zum Beispiel der berüchtigten Erzählung über die Weisen von Zion oder anderen Märchen. Auch Personen im öffentlichen Leben bedienen sich solcher Weltsichten. Wir hatten einen Präsidenten der USA, der an seine eigene Herrlichkeit glaubt. Wir haben religiös geprägte Freunde Hitlers, die an die Judenreinheit der arabischen Welt glauben. Wir haben in Deutschland Gauländler, die aus der deutschen Geschichte die ethischen Maßstäbe für neue Vogelschisse ableiten. Ein Weltmarkt der Eitelkeiten.

Wir sind also heute so weit, dass das Narrativ, also die erzählte Geschichte, das Verständnis von Wahrheit ersetzt hat. Den meisten erscheint es plausibel, wenn jede Menschin ihre eigene Wahrheit hat und danach handelt. Wir kannten einmal Glaubensfreiheit, sie war Teil der Menschenrechte. Wir grenzten sie zur gesicherten Erkenntnis, der Wahrheit ab. Wir kannten einmal die geheimdienstlichen Legenden. Sie dienten der Spionage, der Zersetzung, der Desinformation, der Delegitimierung des jeweils anderen. Nun hat der globale Diskurs über Glauben, Legenden oder Narrative ein neues Prinzip hervorgerufen. Heute gibt es eine Wahrheitsfreiheit, die die alte Glaubensfreiheit einschränkt oder gar abschafft. Und sie bedroht den Primat des Wissens.

Die Dynamik des Wissens

Nach wissenschaftlichem Verständnis ist die Wahrheit dynamisch. Sie kann sich ändern. Dazu muss es jemandem gelingen, eine bestehende wissenschaftliche Aussage zu widerlegen. Was gestern galt, gilt morgen nicht mehr unbedingt. Das ist für viele Menschen zu schwierig. Die Menschen wollen etwas, das in ihrem eigenen Leben konstant bleibt. Sie wollen in Paradigmen aus der Zeit ihrer Erziehung verharren.

Wissenschaftliche Wahrheit hat sich überall dort durchgesetzt, wo Vorhersagen möglich sind. Der Wetterkunde hat niemand geglaubt, bevor ihre Vorhersagen immer häufiger verlässlich waren. Mondkalender oder Schafskälte haben ausgedient. Wetterkundige beschränken sich auf Vorhersagen für ein bis zwei Tage. Sonst erginge es ihnen wie der Klimakunde, deren Prognosen wir Unkundigen viel schwieriger prüfen können. Wir erinnern eben nicht genau, wie der Durchschnitt vor 50 Jahren aussah. Deshalb misstrauen wir.

Die Vorhersage, dass der Apfel vom Baum auf den Boden fällt, hat hingegen für die meisten Menschen einen hohen dauerhaften Wahrheitswert. An dieser Stelle glauben die meisten der wissenschaftlichen Wahrheit. Dass Flugzeuge auch wieder sicher landen können, hat so eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die meisten Menschen dies als Wahrheit akzeptieren.

Die Macht im Diskurs

Auch die Prognosen des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums haben sich 50 Jahre später als erstaunlich präzise erwiesen. Dahinter steckte ein ähnlich vielschichtiges Modell wie bei der Klimaforschung. Aber es gibt keine starken, finanzmächtigen Interessen, die für die Richtigkeit der Analysen teure Werbekampagnen fahren. Club of Rome oder Klimaforschung haben keine große Wirkmacht. Anders bei der Gentechnik. Sie könne den Welthunger besiegen, dafür wirbt die globale Börsenwirtschaft. So wie sie schon dafür warb, dass DDT, Agent Orange oder andere chemische Kampfstoffe den Welthunger besiegen könnten. Betrachten wir den öffentlichen Diskurs als eine Art globalen Markt der Wahrheiten, dann gilt heute das Recht reicher Weltkonzerne, die Wahrheit zu bestimmen, egal ob ihre Vorhersagen zutreffen oder nicht. Wissenschaftlich wahre Aussagen zu komplexen Themen werden schlicht ignoriert. Wer die Macht hat, bestimmt, welche wissenschaftlichen Aussagen die Oberhand gewinnen. Andere werden rhetorisch klein gemacht.

Der Erfolg dieser Strategie steckt in der Natur unserer Art. Im wissenschaftlichen Sinn ist die folgende Aussage einfach aber wahr: Jeder Mensch wird eines Tages sterben. Wir können das leicht überprüfen. Obwohl wir alle selber merken, dass wir immer älter werden und dem Tod näher rücken, verdrängen wir diese Wahrheit ein Leben lang. Diese einzige wirkliche Sicherheit in unserem Leben möchten wir nicht wahr haben. Wir denken uns Geschichten aus, um dieser Wahrheit zu entfliehen. Das ist unsere Weltsicht, unser Glaube, unser Narrativ.

Die Macht des Könnens

Den eigenen Tod können wir nicht verhindern. Andererseits können wir den Tod jedes Menschen herbeiführen. Denn wir wissen wie es geht. Alle Medien machen dafür reichlich Reklame mit ihren Unterhaltungsprogrammen. Um sich bewusst für das Töten eines anderen Menschen zu entscheiden, brauchen die meisten einen triftigen Grund. Den liefern wieder die Geschichten, zum Beispiel Geschichten vom erneuten Leben, vom Heldentod oder von einer überirdischen Gerechtigkeit. Diese Geschichten erlauben den Mörderinnen und Mördern, das Töten anderer Menschen für richtig oder gerecht zu erklären. Die parallelen Wahrheiten sind einfacher als die dynamische Wahrheit der Wissenschaft. Sie gibt uns die Kraft, den eigenen Tod auf später zu verdrängen und andere zu töten. Unsere Art betreibt dafür allerdings einen großen artfremden Aufwand.

Gemeinschaft statt Staat

Die Verhaltensforschung beobachtet bei einfach gestrickten, aber dennoch klugen Tieren die Bildung von Staaten, zum Beispiel bei Bienen, Ameisen oder Termiten. Hier kann jedes einzelne Tier jede Rolle einnehmen, die Tiere funktionieren im System. Sie sind in ihren Funktionen austauschbar. Wirbeltiere sind etwas komplizierter ausgebildet. Sie haben unterschiedliche Stärken oder Schwächen, sie sind Individuen. Wird eine Hauskatze frühzeitig von der Mutter getrennt, wird sie höchstwahrscheinlich weniger Mäuse töten und fressen. Sie hat den sicheren tödlichen Biss nicht mehr so gut drauf. Mutti hat es ihr nicht gezeigt. Dieses Individuum muss dann Aas fressen oder Dosenfutter. Diese Wirbeltiere bilden keine Staaten, sondern Gemeinschaften, deren Teilnehmerinnen auch wechseln können.

Viele Menschen werden dazu erzogen, ihre Artgenossen am Leben zu lassen. Der tödliche Biss wird ihnen abgewöhnt. Ist die Hemmung zu töten aber überwunden, fällt es einigen von einem tödlichen Biss zum nächsten leichter zu töten. Und die Menschen töten dann sogar auch ihre eigenen Artgenossen. Sie verlieren nach und nach ihre Gewissensbisse. Andere kultivieren ihre Hemmungen und sind vom Schlachten so angewidert, dass sich in ihrem Innern ein Trauma bildet. Allerdings führt das Verdrängen des eigenen Todes im alltäglichen Leben auch dazu, dass krankes oder siechendes oder bewusstloses Leben als lebensunwert angesehen wird. Krankheit kann also den Grund – oder Vorwand – zum bewussten Töten von Artgenossen bieten. Ob wir das als Töten, Morden oder Prügeln mit Todesfolge bezeichnen ist gleichgültig. Jurist:innen in unseren menschlichen Gemeinschaften unterscheiden all diese Tötungsformen, um unterschiedliche Strafen zu rechtfertigen. Aber für uns Menschen in unserer Wirbeltiergemeinschaft ist entscheidend, ob wir das Töten verhindern wollen oder nicht.

Staat innerhalb der Gemeinschaft

Nun hat der Mensch als Wirbeltier auch wieder streng hierarchisch geprägte Staaten ausgebildet, zum Beispiel Heere und Armeen. Hier werden die Menschen entpersönlicht und zu Tötungsrobotern gemacht oder auf die Bedienung mechanischer Tötungsroboter trainiert. Der Staat ersann die Pflicht als Tötungstermite zu dienen. Seit dem kollektiven Trauma des Vernichtungskriegs, der 1945 endete, wurde die staatliche Tötungspflicht leicht gelockert. Männer durften sich entscheiden, nicht zu töten.

Diese Entscheidung gegen das Töten wurde im postfaschistischen Deutschland gerne den männlichen Jugendlichen besonders schwer gemacht. Die Prüfung führte das Militär selbst durch. Es wurden Situationen diskutiert, um ein wahrhaftiges Gewissen von dem eines Simulanten zu unterscheiden. Da sollte mann sich vorstellen, die Vergewaltigung seiner Freundin zu tolerieren, während mann selbst eine Feuerwaffe auf der Schulter trug.

Bei diesen Diskussionen saßen drei militärische Gewissensprüfer einem jungen Menschen ohne Tötungsabsicht gegenüber. Sozusagen drei mutige Menschen gegen einen Feigling. Sie lauerten wie die Hyänen auf jeden falschen Satz des Tötungsverweigerers, um dessen Gesuch abzulehnen. Sie machten aus ihrem skrupellosen Vernichtungswillen keinen Hehl. Ein Militär erläuterte mir, dass man Menschen wie mich früher an die Wand gestellt hätte. Er drohte mir also, dass mir eine anonyme Masse mordwütiger den sicheren Tod bringen könnte. Solche Drohungen mit solchen empfindlichen Übeln waren der freiheitlich-demokratischen Polizei schon damals verboten. Die freiheitlich-demokratischen Militärs durften sich noch in solchen blutrünstigen Träumen suhlen.

Die eigene Geschichte

Ich selbst habe vier Mal solche Prüfungsverfahren erlebt, bevor ich das Recht hatte, vor ein ziviles Gericht zu treten. Da gab es einen genussreichen Moment. Eine Gewissenprüferin mit mütterlich ausgeprägter Oberweite fragte mich, was denn meine Mutter von meiner Verweigerung des Tötens halte. „Welche Mutter schickt ihre Kinder schon gerne an die Front.“ Sie erhob sich, beugte ihren Körper über den Tisch und sagte währenddessen: „Ich wäre stolz, wenn mein Sohn auf dem Feld der Ehre … “ Und in diesem Moment, als ihr Halsausschnitt unter meiner Nase schwappte, verreckte ihre Stimme. Was sie hätte sagen können? Mein Sohn auf dem Feld der Ehre elendig verbluten würde? Mein Sohn auf dem Feld der Ehre sein ewiges Leben krönen würde? Nein, ihre Stimme verreckte und der letzte Rest des Wesens ihrer Wirbeltierart obsiegte. Er hatte ihr die Sprache verschlagen. Manchmal führt eben auch der ungerechteste Diskurs zur Wahrheit.

Trotzdem hatte ich diese Runde verloren. Mein Gewissen wurde als unwahr bewertet. In der Begründung gab eine politische These den Ausschlag. Ich hatte die Wahrscheinlichkeit, dass mein Staat einen Krieg außerhalb der eigenen Grenzen führe, mit 50:50 bewertet. Das deutsche Militär ließ damals aber ausschließlich die Antwort null Prozent zu. Heute wissen wir, dass ich 50% mehr Wahrheitsgefühl besaß als das deutsche Militär. Die Wahrheit ist halt dynamischer als sich das so eine Militärkommission vorstellen kann.

Das Märchen der Mordmaschine

Die Wehrmacht unseres Staates hat noch keinen einzigen militärischen Einsatz im eigenen Land vollzogen. Wie lautet die unwissenschaftliche Erzählung für diese Wahrheit? Friedensmissionen in fremden Ländern und Kulturen. Alle Tötungen waren dabei Kollateralschäden. Die Tötung eines Menschen ist also nur ein Sachschaden wie ein kaputter Kotflügel. Wer solche Sachschäden erfolgreich verursacht, wird in der Hierarchie befördert. Wir dürfen also vermuten, dass die Verursacher der Schäden zu der Kategorie Mensch gehört, die nach dem ersten Tötungsdelikt nach weiterem Töten gieren. Im alltäglichen Leben würden wir von Massenmördern sprechen. In ihrer Weltsicht, in ihrem Narrativ sind sie aber die Erlöser.

Für jedes Militär benötigen wir eine Erzählung. Die Basis-Erzählung ist der eigene Lebenswille. Meine Mutter sagte, ich solle dem anderen eine reinhauen, wenn er mich anspuckt oder tritt. Rache, Vergeltung, Auge um Auge. Die nächste Eskalationsstufe ist die katholische Mafia-Familie. Wird ein Mitglied aus dem Clan beleidigt, bekommt der Täter die Rache des Clans zu spüren. Das gleiche Modell der Clans kennen alle Wirbeltier-Gemeinschaften, die an einen Alleinseligmacher glauben. Mehrere Clans bilden eine Oligarchie, sie und ihre Sklaven, Leibeigenen oder Arbeiter:nnen bilden eine Volksgemeinschaft.

Die Volksgemeinschaft wiederum bildet dann den Staat einer Wehrmacht aus. Auf dieser Stufe benötigen wir eine neue Erzählung. Wir brauchen das Konzept der Guten. Alle Angehörigen aller Clans in einer Oligarchie haben das Recht in ihrem Gauland zu leben. Überall wo die Gauländler in der Mehrheit sind, ist Gauland. Nichtgauländler, die über Gauländler herrschen, sind Nazis. Wenn einzelne Gauländler lieber in einem Land leben wollen, das nicht Gauland ist, sind sie auch Nazis und Verräter. Alle dürfen gnadenlos vergewaltigt, ermodert oder weggebombt werden.

Diese Weltsicht, diese Erzählung, dieses Narrativ ist so alt wie die Geschichte aller Religionen. Deutschland war ein solches Gauland, die arabische Welt besteht aus muslimischen Gauen, Russland auch.

Der Krieg ist das Verbrechen

Als sich Mitte des vorigen Jahrhunderts behäbig und langsam die Einsicht breit machte, dass die Massenmorde unserer Art in oligarchischen Gauländern nicht dem Arterhalt der eigenen Art dienen, ersannen wir die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und das Völkerrecht. Es hat einen erheblichen Mangel. Es akzeptiert den Krieg als Politik und kennt Verbrechen innerhalb dieser Kriegspolitik. Sie nannten es damals Kriegsverbrechen. Der Krieg selbst aber ist das Verbrechen. Egal ob wir den Krieg einen Friedenseinsatz, eine Spezialoperation oder einen Verteidigungskrieg nennen. Wir müssen die Menschenrechtserklärung neu erfinden und den Krieg vollständig ächten. Das wird wohl einige Zeit dauern. So lange, bis es in allen Gauländern den Müttern die Sprache verschlägt. So lange bleibt es ein ungültiges Narrativ. Noch verliert es im globalen Diskurs an Wahrheit.

Von Tomatenbäumen träumen

Das ist ja so eine Sache mit den Tomaten. Eigentlich gehören sie ja nicht hierher. Also hier, das ist die gemäßigte Zone mit Frost im Winter und Regen im Sommer. Trotzdem sind sie sehr beliebt, die Paradiesäpfel. Wir wollen sie am liebsten das ganze Jahr haben. Besonders die roten.

Das Gewächshaus ist voller Tomaten. Versprochen!

Im Frühjahr kaufen alle Umwelt- und Klima-Fans Tütchen. Die Samen aus den Tütchen legen sie fein säuberlich in Anzuchterde aus dem Gartenfachmarkt. Die keimfreie Anzuchterde haben sie vorher behutsam in eine Anzuchtschale gelöffelt. Darin dürfen exklusiv die Samen keimen. Aldi hat eine Fertigpackung mit alles drin. Im Internet zeigen Videos, wie wir auf gekaufte Erde verzichten können. Dann mischen wir unsere eigene Erde mit Sand aus dem Gartenfachmarkt. Die Werbung lobt uns. Respekt, wer’s selber macht.

Auf der Fensterbank können wir zusehen, wie sie keimen. Professionelle Hobbygärtnerinnen haben ein Gewächshaus. Das ist im Frühjahr noch zu kalt, dann schützen wir die Anzucht mit Styropor drumrum. Reiche Hobbygärtnerinnen können ihr Gewächshaus beheizen. Dafür gibt es keinen Zuschuss von der FDP.

Joghurtbecher von Hand waschen

Bald wird es unseren zarten Pflänzchen im Anzuchtkasten zu eng. Wir müssen sie in Töpfchen umpflanzen. Das nennen wir pikieren oder die Pflanzen vereinzeln. Im kleinen Töpfchen bekommen die Pflanzen nahrhafte Erde, damit sie kräftig weiter wachsen. Meistens brauchen wir mehr Töpfchen als wir haben. Wir können auch alte Jogurtbecher benutzen. Wenn wir immer den gleichen Jogurt essen, können wir die Becher besser stapeln. Das spart Platz im Schuppen. Wir müssen die Becher mit der Hand abwaschen, denn in der Spülmaschine ist es zu heiß. Jedes Becherchen müssen wir beschriften, sonst wissen wir hinterher nicht, welche Sorte in welchem Becher wächst.

Es gibt viele verschiedene Sorten bei den Tomaten. Große, glatte, fleischige, süße, gelbe, runde – alles. Wer aus dem eigenen Gewächshaus selber Saatgut nimmt, kann ganz viele neue Sorten ernten. Das funktioniert auch bei Paprika. Wir hatten einmal eine große dicke rote Paprika, scharf wie Chily. Das ist unpraktisch und sie wird nicht gegessen.

Sorten sammeln im Verein

Bohnen sind auch schön

Viele sammeln ganz viele Sorten. Solange bis sie nur noch Tomaten essen. Die sind ja alle verschieden. Schon bald sind die Sammlerinnen mit dem Sammeln überfordert. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sie gründen einen Verein, um viele Leute zu finden, die die vielen Sorten mitsammeln. Oder sie hören auf, Tomaten zu sammeln. Bohnen sind auch nicht von hier und brauchen Pflege. Hier, also in der gemäßigten Zone mit Frost im Winter und Regen im Sommer.

Wenn es im Sommer keinen Frost mehr gibt, können wir die Tomaten auspflanzen. Ganz mutige setzen sie ins Freiland. Nach zwei Jahren brauchen sie entweder ein Tomatendach oder ein Gewächshaus. Besonders dann wenn die Sommer sehr feucht sind. Das mögen die Tomaten nicht, denn der Krautfäulepilz findet die Blätter der Tomaten ganz toll. Die Blätter sind dann alle weg, bevor die Früchte süß und lecker werden.

Wässern um des Wässerns willen

Tomaten müsse fachkundig bewacht sein.

Im Gewächshaus müssen wir aufpassen, dass sie dann genug Wasser bekommen. Dort wo die Tomaten zu hause sind, gibt es im Sommer wenig Wasser vom Himmel. Darum haben sie sich Wurzeln angewöhnt, die ihr Wasser ganz tief aus der Erde holen. Das könnten wir ihnen auch hier bei uns zumuten. Sie würden sich freuen. Aber wir haben Angst, dass sie es nicht schaffen. Außerdem haben wir ganz viel Wasser.

Wohlhabende Tomatenexpertinnen pflanzen ihre Tomaten in Töpfe. Die stehen dann auf Betonplatten an der wärmenden Hauswand. Im Baumarkt gibt es Sperren, die verhindern, dass die Wurzeln unten aus dem Topf rauswachsen. Noch haben die Pflanzen keine Pflanzenrechte, noch dürfen unsere Umweltretterinnen die Pflanzen in Töpfe sperren. Sollen wir eine Pflanzenrechtsbewegung gründen?

Raus aus den Töpfen! Freiheit für alle Faulpilze!

Egal! Wenn die Tomaten rot sind, können wir sie ernten. Und essen. Fleischtomaten können wir einwecken. Und wir können selber Ketchup daraus rühren: Ein Glas Tomaten passieren, im Topf mit einem pürierten Apfel, Knofi, Salz und Pfeffer sowie einem Schuss selbst gekelterten naturtrüben Weinessig so lange köcheln lassen, bis der Ketchup reif ist. Der kann ganz nach Gelegenheit mit Chily oder Curry gewürzt werden. Das Zeug ist so aromatisch, dass ich nie wieder Chemie-Ketchup kaufen werde.

Der Künstler hat den dicksten

Das neue Ding in Meldorf. (c) freistern.de

Die GOS fragt danach, wie das neue Kunstwerk am Zingel in Meldorf denn so ankäme. Ja, wie kommt sie denn an, die Röhre mit Löchern? Ich habe noch keine Beziehung zu dem Ding aufgebaut. Es ist groß. Ja sooo groß, größer als die Häuser. Aber das Ding sagt mir nichts, außer vielleicht, dass die Statik auch Stürme übersteht.

Unverständnis …

… wecken bei mir besonders diejenigen Kunstwerke, die städtebaulich gewünscht sind, auf dem Rathausplatz und am Zingel. Sie stehen solitär vor sich hin und haben keinen wirklichen Bezug zur Stadt. Sie wollen wichtig sein, und sie sind wohl auch gewichtig, vielleicht sogar übergewichtig. Stellen wir uns vor, das Ding mit den Löchern stünde zwischen Hochhäusern in einer Großstadt: Dann könnte es leicht aussehen. An der Stelle mit den niedrigsten Häusern einer Stadt mit niedrigen Häusern, sieht es aus wie der toxische Pimmel gescheiterter Männlichkeit.

Was macht andere Kunstwerke in Meldorf so besonders? Da steht der Niebuhr von Manfred Sihle-Wissel in einer Nische des Doms. Der Künstler wählte seine Figur aus der Zeit, als Niebuhr sich den morgenländischen Landessitten bereits angepasst hatte. Denk mal: Er hatte sich vom Kolonialismus abgewandt, bevor die Preußen Kolonien hatten und Kunst raubten! Niebuhrs Blick ist auch der Kirche abgewandt, er schaut auf das Haus, das er zu Lebzeiten bewohnte. So viel können wir an dieser Büste erkennen. So feinfühlig ist es in die Stadt gesetzt.

Im Schatten des Doms …

… steht Schwinghammers Kriefsgefangener, der gerne wieder aus der Gefangenschaft nach Hause zurückkehren möchte. Er schämt sich ein bisschen, friert wohl auch und gibt ein eher demütiges Bild ab. Ganz anders als sein abgemagerter Kamerad in Heide, der der ganzen Welt seinen Hunger hinausschreit. Doch wer wollte ihm das verübeln? Die Skulpturen sind Zeugnisse ihrer Zeit, der frühen Bundesrepublik. Die Menschen waren innerlich so gespalten wie diese Figuren.

Ähnlich dramatisch geht es im Speicherkoog zu. Für Nordermeldorf kaufte der Kreis die Zugvögel von Fritzi Metzger. Genial aus Schiffsstahl geschweißte Vögel, kilometerweit sichtbar. Das passt wie Arsch auf Eimer. Und nachhaltig, die Farbe hält Jahrzehnte, der Stahl war Abfall, Künstlerin und Werftarbeiter standen im Dialog. Wie stark ist eine solche Aussage im Vergleich zu einer übergewichtigen Röhre mit Löchern, die sich selber nichts als wichtig nimmt und nur auf Fotos leicht daherkommt? Sie soll einen Schwung verkörpern. Es ist der erstarrte Schwung der rauchenden Schlote von Hemmingstedt. Von César Manrique hat der Künstler anscheinend nie etwas gehört. Oder er schwingt einfach nicht.

Meer aus Stein

Ganz anders Paul Heinrich Gnekow, der am Hafen das Meer in Stein haute. Und darauf hat er den Titel „Trutz Blanker Hans“ gehaut. Wer trutzt hier wem? Der Blanke Hans den Hanseln, die ihn bezwingen wollen oder umgekehrt? Ich muss das alles nicht herleiten. Aber ich kann es lesen, auch dieses Kunstwerk spricht mit mir.

Das Landwirtschaftsmuseum beherbergt eine Sammlung alter Trecker und so. Davor ein kleines Technikmuseum von Dieter Koswig, das mich schmunzeln lässt. Mit seiner Zeitmaschine auf dem Kreisel ist Koswig erst in einen Dialog mit den Menschen in der Stadt getreten. Wir durften uns mit seiner Zeitmaschine anfreunden. Heute ist der gesamte Kreisel so gestaltet, dass er die Zeitmaschine jahreszeitlich inszeniert. Koswig denkt abstrakter als all die anderen Künstler:innen, dennoch können andere Akteure seine Arbeiten vortrefflich inszenieren.

Künstler macht Kunst sichtbar

Ach ja, Jürgen Wilms fertigte einen Kubus aus Faschinenholz. Er setzte sich mit einem für unsere Küste lebenswichtigen Material auseinander. Täglich können wir beobachten, wie spröde sich dieses Material an der frischen Luft verhält. Erstaunlich dass es dem Künstler gelang, es zu bändigen. Besonders raffiniert die Kanten, alles ist offen sichtbar. Hier hat jemand eine Kunst sichtbar gemacht, die täglich zwei Mal in der Flut verschwindet? Das regt die Gedanken an. Lustig dass die bunte Bank davor unsere Blicke auf das Pimmelding leitet.

In welchen Dialog können wir mit diesem Werk am Zingel treten? Ich seh’s nicht. Wird sich ein Kuckuck auf dieser Stahlwolke niederlassen? Und in wessen Nest legt er dann seine Eier? Die neue kastrierte Stadtbebaumung gewährt keinen Lebensraum. Da müssten wir wohl noch erst Kieler Stadttauben importieren. Die brüten überall. Und unsere dichte Katzenpopulation wird dann lecker Rührei essen. Auch vom Publikum wird diese Art der Bebaumung nicht ernst genommen. Als Fahrer im Bürgerbus habe ich mehrfach gehört, wie die Leute dort Bäume vermissen. Was da steht, sind keine Bäume. Die Bäume werden übersehen. Der Stahl ist größer als die Bäume. Der Künstler hat den dicksten, aber da waren wir ja schon mal. …

Land lässt Elbfähre scheitern

erscheint in der Februar-Ausgabe von gegenwind

Am 15. Dezember vorigen Jahres musste die Elbferry ihren Betrieb einstellen. Vorher hatte sie über acht Monate Cuxhaven und Brunsbüttel mehrmals täglich miteinander verbunden. Den Betrieb hatte die Elbferry GmbH am 1. März mit der gecharterten Greenferry I aufgenommen. Die dritte Coronawelle deutete sich schon an, Ostern und Pfingsten fehlten dann auch die Tagestouristen. Dennoch lief der Betrieb im Sommer wirtschaftlich, die Gesellschaft schrieb sogar schwarze Zahlen. Der Neustart der Fährlinie war also gut vorbereitet worden, es bestand Aussicht auf einen dauerhaften Erfolg.

Im Herbst kam die vierte Corona-Welle. Dafür hatte der Geschäftsführer der Elbferry Heinrich Ahlers vorgesorgt und bereits am 11. Juni 2021 Corona-Hilfen aus dem Härtefonds beantragt. Zur Erinnerung: über Corona-Hilfen sollte schnell und unbürokratisch entschieden werden. Das Kieler Wirtschaftsministerium von Bernd Buchholz (FDP) ließ fünf Monate verstreichen und lehnte diese Corona-Hilfen am 18. November ab. „Insbesondere wenn man die Ablehnungsgründe berücksichtigt, hätte man die Absage auch schon viel eher mitteilen können, was dem Unternehmen mehr Möglichkeiten zur Reaktion gegeben hätte“, moniert Ahlers auf Anfrage. Am 22. November musste er Insolvenz anmelden.

Insolvenzverwalter wurde der Bremer Fachanwalt Berend Böhme. Er wollte das Unternehmen retten, legte Widerspruch ein und bildete einen Runden Tisch, dem auch Abgeordnete und die Kommunalpolitik angehörten. Mit dabei der Landtagsabgeordnete Volker Nielsen (CDU), der als Bürgermeister von Sankt Michaelisdonn für die gesamte Region Menschen zusammenbringt und mit Infos versorgt. Er fasst die Gründe für die Insolvenz zusammen: „Die Pandemie mit ihren massiven Auswirkungen auf den LKW-Güterverkehr, der stark abgefallen ist, und eine Vervierfachung des Gaspreises machten einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich. Die Greenferry I fuhr mit Flüssiggas, das per LKW von Rotterdam in Cuxhaven oder Brunsbüttel angeliefert wurde.“

Wichtig für die Regionen

Alle regionalen Akteure hofften auf ein Einlenken der Landes. Für Süderdithmarschen und Cuxhaven ist eine solche Fähre lebenswichtig. Brunsbüttels Bürgermeister Martin Schmedtje berichtet dem NDR, die Stadt habe eine deutliche Belebung im Handel und in der Gastronomie gespürt. Das wirtschaftlich notwendige Hinterland sei der Stadt von der Fährverbindung „auf dem Silbertablett“ präsentiert worden.

In der Vergangenheit hatte die regionale Politik immer wieder versucht, einen Betrieb der Linie anzuschieben. Geografisch liegen die Regionen in Sackgassen, die Hauptwege führen über Hamburg. Die Fähre Glückstadt-Wischhafen, die die global tätige FRS aus Flensburg betreibt, ist keine Alternative. Sie verbindet keine regionalen Zentren, sondern südelbische Apfelplantagen mit nordelbischen Feuchtwiesen. Sie ist nur dürftig an das Straßennetz angebunden und überhaupt nicht an den Bus- oder Bahnverkehr.

Für die regionalen Zentren Brunsbüttel und Cuxhaven ist eine direkte Fähre öffentliche Daseinsvorsorge, also Aufgabe der staatlichen Instanzen. Für den regionalen Schienenverkehr müssen die Bundesländer die Verantwortung übernehmen. Aber beim Fährverkehr zögen sich die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen darauf zurück, dass sie trotz der regionalen Bedeutung nicht zuständig seien, erläutert Landtagsabgeordneter Nielsen. Die EU setze einem Engagement enge Grenzen.

Vorrang für neoliberale Ideologie

Trotz der großen Bedeutung der Fähre kam am 15. Dezember das Aus für die knapp sechzig Beschäftigten. Das Kieler Wirtschaftsministerium stützte sich darauf, dass ein Unternehmen in Insolvenz keine Hilfen mehr bekommen dürfe. Dieser Argumentation widerspricht Insolvenzverwalter Böhme: „Ich habe eine juristische Lösung über ein Insolvenzplanverfahren und die zeitnahe Aufhebung des Insolvenzverfahrens angeboten, so dass im Anschluss die beantragten Hilfen an einen Zwischenfinanzierer hätten ausgezahlt werden können.“ Eine schriftliche Begründung der Ablehnung des Widerspruchs lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor, die Betroffenen waren auf telefonische Nachrichten angewiesen. Für Missverständnisse sind also noch alle Türen offen.

Ministeriumssprecher Harald Haase verwies zur Entscheidung des Bundeslandes auf die politische Forderung des Ministers Buchholz, diese öffentliche Aufgabe des Fährverkehrs müsse sich eigenwirtschaftlich tragen. gegenwind fragte ihn warum. „Wir leben ja in Deutschland ordnungspolitisch in einer sozialen Marktwirtschaft und da liegt es in der Natur der Sache, dass Unternehmen – dazu gehören auch Reedereien – sich wirtschaftlich allein tragen müssen. Sonst hätten wir ja eine sozialistische Planwirtschaft, wo der Staat für alles zuständig ist und alles finanziert“, lautete Haases Antwort.

Aufklärung tut not

Eigenwirtschaft, so nennt man die Wirtschaft von Bund, Ländern und Gemeinden. Dazu gehören Müllentsorgung, Stadtwerke, Bus und Bahn. Solche Betriebe haben eigene Einnahmen. Wenn die Kosten aber höher sind als tragfähige Preise erlauben, ist der Staat als Betreiber der Eigenwirtschaft in der Pflicht. Der Stadtstaat Hamburg, die Stadt Lübeck und die Landeshauptstadt Kiel stellen sich dieser Verantwortung. Alle dieser Fähren sind Teile öffentlicher Unternehmen, also subventionierter Unternehmen. Die Fähre Langeoog ist ein Eigenbetrieb der Gemeinde. Die Weserfähre Bremerhaven-Nordenham ist eine Eigengesellschaft der beteiligten Städte. Schleswig-Holstein und Niedersachsen lassen ihre strukturschwachen Küstenregionen im Stich und geben keine Hilfen. Ja sie verweigern sogar aktiv Bundeshilfen in einer nationalen Notlage.

Für die Kommunalpolitik der ärmeren Regionen wird es immer schwieriger. Die lokalen Akteure müssen selbst die Informationen zusammen sammeln und initiativ werden. Obwohl aus Kiel immer wieder zu hören ist, die Fähre sei wünschenswert, kann die Politik nicht einmal alternative Lösungen aufzeigen. Auch bei den Grünen und SPD wird beredt geschwiegen, öffentlich gestellte Anfragen blieben unbeantwortet.

Da die Fähre auch die Bundesstraße 5 mit der Autobahn A 27 verbindet, könnte sie theoretisch eine Fernverbindung zwischen der Westküste und Bremerhaven und Bremen sein. Die Verdienste des früheren CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer bestanden allerdings darin, Bayern mit Geldern des Bundes zu versorgen. Da hatte Brunsbüttel keine Chancen, Hilfe vom Bundesministerium zu bekommen. Brunsbüttels Bürgermeister Martin Schmedtje äußerte im NDR-Interview die Hoffnung auf die neue Ampelkoalition, die in dieser Frage ebenso gelb blinkt wie im Kieler Kenia-Haus.

Viele Vorbilder in Europa

Gerne versuchen Gegner:innen der Fährverbindung am Elbtrichter den Eindruck zu erwecken, dass Fährbetriebe grundsätzlich privatwirtschaftlich betrieben werden müssten. Dies ist sachlich falsch. In den Metropolregionen Europas ist es selbstverständlich, dass Fähren öffentlich betrieben werden, so in Hamburg, Berlin, Kopenhagen oder Lissabon. In Lissabon sorgt sogar eine staatliche Gesellschaft dafür, dass das Hinterland südlich der breiten Tejomündung angebunden wird. So gesehen könnte sich also auch die Metropolregion Hamburg dieses Elblinks annehmen.

Es ist bitter, wenn sich ein Minister wie Buchholz hinter Fake-News versteckt und der Kommunalpolitik Sand in die Augen streut. An der Küste ist es üblich und dringend nötig, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen. Das ist beim Deichbau nicht anders als im Fährverkehr, den die friesischen Insulaner selbst regeln. An Land gilt das Spatenrecht: Wer nich will dieken, de möt wieken. Wir stecken dem Wirtschaftsminister den Spaten aufs Grundstück.

Kostenfrei über den Rhein

Gerne wird dieser Faktenlage mit der Behauptung ausgewichen, es gäbe keine öffentlichen Fähren im Länder überschreitenden Verkehr. Doch auch das ist eine sachlich falsche Schutzbehauptung. So gibt es Vorbilder für öffentliches Engagement in der Daseinsvorsorge mit solchen Fährverbindungen, zum Beispiel am Rhein. Die europäische Gebietskörperschaft Elsass betreibt drei Rheinfähren. Sie sind für die Nutzer:innen sogar kostenfrei. Diese Fähren sind im grenzüberschreitenden Verkehr tätig und dienen der Region und dem Tourismus. Bei Mannheim haben die Stadt Mannheim und der Kreis Rhein-Pfalz die Gemeinde Altrip mit einer eigenen Fährgesellschaft angebunden. Hier erreichen die Großstädter ein Naherholungsgebiet. Die Stadtwerke Konstanz betreiben eine Autofähre mit einer Fahrtzeit von 45 Minuten vom baden-württembergischen Friedrichshafen nach Romanshorn in der Schweiz sowie eine weitere innerdeutsche Fähre.

Kapital ohne Kapitalismus

Die Linke kriselt. Es fehlt an Glaubwürdigkeit und Alternativen zur kapitalistischen Gesellschaftsform. Wir hatten bereits festgestellt: Die Gesellschaft verändern wir nur innerhalb der Gesellschaft, nicht von oben durch staatliche Politik. Traditionell erfolgreiche Modelle sind Gewerkschaften, lokale Bekämpfung der Armut und das Genossenschaftswesen. (Link zum Artikel) An welchen Stellen können wir diese Erfahrungen nutzen, um sie zum Vorteil der Menschen einzusetzen? Besonders Menschen, die gesellschaftlich benachteiligt sind, sollen solche Vorteile genießen können. Dafür brauchen wir aber auch die Hilfe und Zustimmung derer, die sich nicht benachteiligt fühlen. Deshalb ist die Art und Weise, wie wir die Mittel einsetzen, wichtig.

Die Basis

Die Forderungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind grundlegender Baustein linker Politik. Auch die derzeitigen kapitalistischen Gesellschaften folgen diesen Zielen, obwohl sie immer wieder mit juristischer Interpretationen die Inhalte verbiegen. So rechtfertigen sie sinnlose Kriege oder pämpern faschistische Diktaturen. Für linke Leute müssen die Menschenrechte allerdings bedeuten: Wer linker Politik folgt, folgt dieser Politik freiwillig. Wir stecken keine Menschen Umerziehungslager, sondern wir überzeugen und motivieren, damit uns auch skeptische Leute freiwillig unterstützen. In dieser Hinsicht versagt die kapitalistische Gesellschaft immer mehr. Seit sie sich den neoliberalen Paradigmen unterworfen hat, haben sich weite Teile von Polizei, Militär, Geheimdiensten und etwa zehn bis zwanzig Prozent der Zivilgesellschaft rechtsradikalen Thesen zugewandt und teilweise sogar bewaffnet, um das System zu stürzen. Die neoliberale Reaktion wollte genau diesen sozialdarwinistischen Zynismus. Ihr Ziel ist eine ständische Gesellschaft, die ein Drittel ihrer Mitglieder als nutzlose Unterschicht verrotten lässt.

Linke Menschen wollen die kapitalistische Gesellschaft umwandeln. Eine friedlichere und sozial ausgleichende Gesellschaft schaffen. Für die wirtschaftlichen Verhältnisse sollen Beziehungen der Menschen untereinander auch in Produktion, Handel und Gebrauch der Güter Vorrang haben. Rendite und Spekulation haben keinen Platz in der Werteskala. Sie können uns lediglich als Mittel oder Kennziffer dienen, sind aber nciht selbst Ziele. Angewandte Techniken sollen die natürlichen Ressourcen schonen. Menschen wollen bei der Produktion von Gütern auch die Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit sehen. Das ist den meisten von uns abhanden gekommen. Sinnloses Tun und entfremdete Beziehungen zwischen den Menschen haben nicht mehr nur in der materiellen Produktion die Oberhand gewonnen, sondern auch bei vielen Dienstleistungen.

Anders werten

Linke Wertvorstellungen erfordern eine sozial ausgleichenden Produktionsweise. Produktion und gesellschaftliche Leistungen orientieren wir an Gebrauchswerten. Vorrang haben dabei die menschlichen Grundbedürfnisse, also Lebensmittel, Wohnungen, saubere Luft und sauberes Wasser, Erholung, Kultur und Fußball (oder so). Außerdem braucht eine friedliche Gesellschaft ein hohes Bildungsniveau, ein egalitäres Gesundheitssystem. Bildungssysteme dürfen niemanden ausgrenzen. Alle Menschen müssen in jedem Lebensalter an allem Anteil haben können. Wir grenzen auch alte weiße Männer nicht aus und respektieren, wenn sie ihre Identität als brünftige Rothäute sehen.

Linke Politik steht in Opposition zum kapitalistischen Staat. Im kapitalistischen Staat wirkt sie vorrangig in die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen hinein. Dabei setzt sie den Werten der Renditewirtschaft etwas entgegen. Sie orientiert sich an den Gebrauchswerten der Güter und Leistungen, dient dem sozialen Ausgleich und wirkt Entfremdungsprozessen entgegen. Linke Gesellschaftspolitik schafft Raum für die Menschen, Beziehungen untereinander zu pflegen, sich zu bilden und die Armut abzubauen.

Richtig rechnen

Die Wirtschaft spielt bei der Betrachtung der Gesellschaft eine Sonderrolle. Dies können wir uns an einem einfachen Beispiel veranschaulichen. Vor einigen Jahrezehnten wurden linke Leute belächelt, die für die Zukunft eine globale kapitalistische Monopolwirtschaft erwartet haben. Heute sind konkurrierernde Weltkonzerne untereinander verflochten, wir kaufen einen Renault mit Mercedesstern. Das Kapital gehört einem Investment-Oligopol einiger weniger Blackrocker. Qualitativ war die linke Gesellschaftsbetrachtung langfristig trotz alles Belächelung zutreffend. Der wirtschaftliche Aspekt ist allerdings quantitativ, und hier haben die Wirtschaftsmodelle zum Beispiel des Club of Rome eine höhere Treffsicherheit als die Prognose des Realsozialismus vom „Überholen ohne einzuholen“.

Komplexen Wirtschaftsmodelle bestehen aus vielen Mathematischen Funktionenvieler Variablen, die auch in sich widersprüchlich sein können. Deduktionsketten wie in anderen gesellschaftlichen Feldern der Analyse landen in Sackgassen. Das bedeutet im Klartext, dass auch linke Projekte betriebswirtschaftliche Zusammenhänge als wissenschaftlich gegeben ansehen müssen. Wir rechnen mit Zahlen, und Defizite müssen gedeckt werden, beredtes Umdeuten führt in die Pleite.

Im wirtschaftlichen Leben gibt es präzise Hinweise über das Wohl eines Projekts: schwarze Zahlen. Alles andere ist zwar gut gemeint, aber alles andere als gut. Betriebswirtschaftliche Bildung fehlt allerdings vielen linken Projekten. Eine typische Falle sind Denkmuster wie dieses: „Wer Geld in ein linkes Projekt gibt, hat viel Geld. Wer so viel Kohle hat, kann auch weiter gemolken werden.“ An diesem gedanklichen Junk scheitern viele linke Projekte. Buchführung und Bilanz sind nützliche Hilfsmittel, keine kapitalistischen Systemver-Irrungen. Wir müssen sie viel als numerisches Abbild wirtschaftlicher Wirklichkeit ernst nehmen. Buchhaltung, Wirtschaftsprüfung und Kontrolle sind lebensnotwendig. Betriebswirtschaftliche Bildung bedeuten für linke Projekte wesentlichen Nachholbedarf.

Vergiss den Staat

In der jüngeren Vergangenheit haben Linke immer wieder versucht, von staatlichen Förderprogrammen zu profitieren. Das war ein tolles Spiel für reaktionäre Kräfte. Leichter konnten sie es nicht haben, um linke Ideen in Misskredit zu bringen. Mit ein bisschen provokanter Kritik am Förderprogramm konnten sie linke Projekte einfach ausknipsen. Die dort angelernten Fachkräfte durften danach entweder dem Kapitalismus dienen oder sich in die Unterschicht begeben. Vergesst den Staat! Wer das tut, braucht aber Kapital. Eigenkapital.

Es gibt zwei Wege, sich Eigenkapital zu beschaffen. Wir können Handeln oder Arbeiten und verdientes Geld zurücklegen, und diese Rücklagen in das Projekt investieren. Wir können uns Geld leihen. Wenn wir uns Geld am Kapitalmarkt oder bei Banken leihen, dann ist das Fremdkapital. Wir können uns aber auch Eigenkapital leihen. Wenn wir das tun, dann müssen wir besonders sorgfältig damit umgehen. Die Junkies unter uns werden uns immer wieder daran hindern, betriebswirtschaftlich sorgfältig zu bleiben. Daher sollten wir auf eine produktive Bindung zwischen einem Projekt und seinen Geldgeber:innen achten. Es sollten also keine entfremdeten Kapitalströme zwischen einem Projekt und der Außenwelt bestehen.

Lerne Kapital schätzen

In der herkömmlichen Wirtschaft müssen sich insbesondere kleine Unternehmen außerhalb von Banken und Staat Eigenkapital beschaffen. Der Weg über das Fremdkapital auf den offiziellen Kapitalmärkten ist für die meisten Unternehmen zu teuer, wenn sie denn überhaupt rankommen. Aus der Sicht der Projekte werden Netzwerke der Kapitalbeschaffung benötigt. Hier müssen die Träger’innen linker Politik aktiv werden und diese Netzwerke schaffen, die Projekte bekannt machen und die Geldgeber’innen weiterbilden, um gute Investitionsentscheidungen zu treffen. Die Interessen der Geldgeber’innen hat linke Politik traditionell vernachlässigt. Hier gibt es Nachholbedarf und wir brauchen betriebswirtschaftliche Nachhilfe für Lehrer’innen und Staatsbedienstete.

Wer Geld aufbewahren will, um später damit seine Wohnung oder sein Grab bezahlen zu können, braucht Sicherheit. Da die Preise für Wohnungen und Gräber steigen, soll es seinen Wert möglichst nicht verlieren. Ein gesparter Monat fürs Wohnen soll auch noch im Alter ein Monat zu wohnen wert sein. Diese Sicherheit können wir aber nicht planen. Die Unsicherheit nennen wir finanzielles Risiko. Geldgeber’innen müssen also lernen, sich gegen Risiken abzusichern. In der durch Aufsichtsämter regulierten Bankenwelt wird Sicherheit versprochen. Das dürfen wir glauben oder auch nicht. Sicher ist nur eins: Linke Projekte können sich nicht finanzieren, wenn sie auf die durch Aufsichtsämter regulierte Bankenwelt verlassen würden.

Bibel oder Romantik?

Wer ist Schuld an den Fake-News?

Der katholische Theologe Simone Paganini kennt und lehrt die Bibel. Er unterscheidet drei Formen der Fake-News. Die unechte Lüge, die echte Lüge und die irreale Lüge. Alles findet er in der Bibel vor und kann daran typisch menschliches Verhalten erläutern.

Schöpfungsgeschichte ist ein unechtes Fake. Die Leute in der Antike wussten es nicht besser. Und darum kamen sie auf die Idee, dass die Götter die Menschen geschaffen haben. Und schönes Bild: Athene ist Göttergott II. aus dem Kopf gehüpft. Dahinter steckt das Prinzip: Wir verstehen etwas nicht, dann packen wir es in eine Geschichte, die wir verstehen.

Die Schlange in der Bibel kann reden, ist ein echtes Fake. Denn Schlangen können nicht reden. Prinzip: Was nicht passt wird passend gemacht. Und wenn die Schuhe nicht passen, läuft sich die Menschheit Blasen.

Eva habe in den Apfel gebissen, das sei ein irreales Fake. Denn ‚malus‘ kann ’schlecht‘ oder ‚Apfel‘ bedeuten. Je nach Übersetzungsfehler kann mensch das Böse essen oder eben auch nicht. Prinzip: Wenn Du nicht in echt lügen kannst, nimmst Du Deine Fehler für bare Münze. So wird dann aus einer jungen Frau auch eine Jungfrau gemacht. O.k.?

In diesem Falle egal. Denn mit Paganini macht das Thema Fake-News Spaß, und das zählt. Link zum Deutschlandfunk

Zum Thema Impfskepsis und den damit verbundenen Fakes verlinkt Christian Jakob in der Taz die romantischen Liebe der deutschen Geistesgeschichte mit einer Feindschaft zur Aufklärung. Das sind hübsche Geschichten. Leider klären sie nicht so richtig über Fake-News auf und sind selber wieder Geschichten, die siehe oben ‚unechte Lügen‘. Link zum Taz-Artikel.

Elbferry

An Stelle der noch nicht gebauten Autobahn unter der Elbe hindurch, gibt es immer wieder Versuche, eine Fährverbindung von Cuxhaven nach Brunsbüttel in Gang zu bringen. Diesmal hatte die Fähre einen besonders schweren Start: Corona. Trotzdem wurden Corona-Hilfen vom Land Schleswig-Holstein abgelehnt. Für die Region Dithmarschen und die Westküste Schleswig-Holsetins sind solche Anbindungen sehr wichtig. In Cuxhaven führt die Fähre direkt an die Autobahn nach Bremen und ins Ruhrgebiet. Besonders die Grünen müssten an der pragmatischen Verbindung interessiert sein, denn sie haben in den vergangenen Jahren alles getan, um den Bau einer Autobahn zu verhindern.

Deshalb habe ich die Abgeordneten Volker Nielsen (CDU für Dithmarschen Süd), Oliver Kumbartzky (FDP für Dithmarschen), Dr. Andreas Tietze (Grüne für den Wirtschaftsausschuss) und von der demokratischen Opposition Kai Vogel (SPD) befragt:

Wann und mit welchen Argumenten haben Sie sich dafür eingesetzt, dass die Elbferry Corona Hilfen bekommt, um die direkte Verbindung von Brunsby nach Cux zu erhalten?

Gute Auskunft vom Unionsabgeordneten

Das Warum hat mir der Landtagsabgeordnete Volker Nielsen (CDU) sehr ausführlich erläutert. In der Regel finanzierten Bund oder Länder keine Fährverbindungen über natürliche Gewässer. Die EU setze enge Grenzen. Die Landkreise dürften keine Gelder an Privatunternehmen geben. Da die Elbferry ausgerechnet in der Pandemie ihren Betrieb aufnahm, hätten auch die Corona-Hilfen nicht greifen können. Auch wenn der LKW-Verkehr wegen der Pandemie abnahm und die Treibstoffpreise extrem stark gestiegen seien.

Diese Auskunft lässt keine Wünsche offen. Wir als Zivilgesellschaft müssten uns also selbst einbringen. Ein Beleg, warum wir Wahlvolk manchmal politikverdrossen sind, gebe ich in den Kommentaren wieder. Da steht nix weiter als: „Ich bin toll, ich kann aber nix!“

Stell Dir vor: Die Linke will aufstehen und keiner geht hin.

erscheint in Gegenwind, Januar 2022: Überall lese ich Analysen, warum die Linke in Deutschland immer seltener gewählt wird. Der Abstraktionsgrad ist unterschiedlich, aber überall hoch. Manchmal wird die Globalgesellschaft, manchmal die europäische, manchmal nur die deutsche Gesellschaft oder auch nur eine einzelne Person analysiert. Es klingt immer so, als müssten linke Menschen nur die richtigen Meinungssätze oder Analysen vorlegen. Genügt das wirklich, um in die Parlamente gewählt zu werden. Brauchen wir die Parlamente überhaupt für eine soziale Gesellschaft der Freiheit und sozialen Gleichheit?

Parlamente schützen bestehende Verhältnisse … ,

Mit Wahlen kann die Menschheit keine Verhältnisse verändern: gegen das herrschende Bewusstsein, gegen bestehendes Militär, gegen die Klasse der Reichen. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Reichen nur noch selten höchstpersönlich über Hochöfen, SUV-Produktion oder Goldminen verfügen. Sie halten Anteile, meistens haben die AnteilseignerInnen Anteile an mehreren Konkurrentinnen auf den Aktienmärkten. Sie haben den Kapitalismus schon längst geblackrockt. In der Politik herrschen die Lobby- und Finanz-Technokraten. Und in manchen Branchen gehorchen die Konzerne der sozialdemokratischen Atomlobby und anderen Kumpanen der IG Metall. Und: es ist auch gar nicht die Aufgabe der Parlamente, die Gesellschaft zu verändern. Die Parlamente sollen die Exekutive kontrollieren, damit die Egomännen nicht zu Diktator:Innen mutieren. Und sie sollen all die Technokratien am Laufen halten, Mindestlöhne auf die Einheimischen beschränken und Kleinanlegerschutzgesetze anschieben. Letzteres war eine Idee der Linken.

Kommunisten verändern sie.

E s gibt eine Reihe Vorbilder, die durchaus Effekte auf gesellschaftliche Veränderung haben: Die kommunistische Partei in Graz hat kürzlich vorgeführt, wie Kommunisten Wahlen gewinnen können. Sie nehmen sich als Opposition das Thema Armut vor und lindern sie vor Ort, ganz ohne jede Regierungsgewalt. Sie sind konsequent und beharrlich. Dieses Beispiel funktioniert. Solche KommunistInnen werden auch von bürgerlichen Menschen gewählt. Welche kommunistische Sektion in Deutschland macht es nach? Es dürfte sehr leicht sein. In den meisten deutschen Kommunen spielen die Bundesparteien Koalitionskriege gegeneinander. Was angesichts kommunaler Armut geradezu lächerliche Formen annimmt. Helfen könnte nur eine konzertierte Aktion der gesamten Kommune gegen den Mainstream, Kommunen systematisch zu verarmen. Welche solidarischen Finanzierungsformen können wir einführen, um kommunal gegen den weltweiten neoliberalen Trend anzugehen?

Linke Gewerkschaften versagen, …

Die Arbeiterbewegung war einmal viel mächtiger als Klimaschutzjugend oder Antiatombewegung. Die sozialistischen Parteien waren die Arme in die Politik hinein, waren aber nur eine Säule der Bewegung. Gewerkschaften und linke Politik waren Mitte des 20. Jahrhunderts durchaus einmal erfolgreich. Besonders die Montan­mitbestimmung machte aber die Führer der hierarchischen Gewerkschaften korrupt. Die Steinkühlerei machte die Gewerkschaften zahnlos. Nach diesen Schocks gibt es nur noch wenige Gewerkschaften, die Gestaltungsspielräume nutzen können. Deren Ankermänner sind aber keine Sozialisten mehr. Und: sie lassen alle keine Frauen ran.

CDU und Grüne bewegen sie.

In ver.di holten sich Ex-IG-Medien-Leute Rat aus den USA, wie gewerkschaftlich besser organisiert wird. Heute stellt ver.di sogar in der Security-Branche Streiks auf die Beine. Der große ver.di-Boss, unter dem dies begann, war der Grüne Frank Bsirske. Ein anderes Beispiel ist die neue Eisenbahnergewerkschaft GDL, die den heiligen Gral der Einheitsgewerkschaft durch eine Einheizgewerkschaft ersetzt. Der große Boss, der das arrangiert, ist CDU-Mitglied Claus Weselsky. Wo ist die deutsche Linke? Ach, ich vergaß, die FAU ist in der Lastenradbranche erfolgreich.

Genossenschaften ändern die Verhältnisse nachhaltig

In Spanien, aber auch in Süd- und Mittelamerika waren und sind genossenschaftliche Bewegungen erfolgreich. Selbst im faschistischen Regime in Spanien blühte der genossenschaftliche Widerstand zu einem Industrie-Konzern auf, an dem nicht einmal Francos Mörderbanden vorbei kamen. Welche Linke nimmt sich heute ein Beispiel daran? Wer organisiert das? Das lässt sich nicht predigen, das muss mensch einfach machen. Wie wär’s nach dem Vorbild der Sozialgenossenschaften in Italien? Oder nach dem Vorbild der neuen deutschen Nachbarschaftsgenossenschaften. Lest mal in der aktuellen ‚contraste‘ nach.

Das alles sind Ansatzpunkte, die in vielen anderen kapitalistischen Ländern aufzeigen: Wir können auch anders. Genau das brauchen Menschen, die dann auch die sozialistischen Parteien wählen solllen: Erleben, dass es funktioniert und wie es funktioniert. Sonst werden alle schönen Progamme und Analysen mit einem Satz gekillt: „Was Ihr da wollt, funktioniert doch alles nicht.“ Allerdings müsst Ihr aufpassen: Kleinanlegerschutzgesetze schaden den real existierenden, emanzipativen Bewegungen.